Anschreiben Mitarbeiter(in) für Bibliothek
1.
Bewerbungsschreiben sind wie Autos: Einfach nicht sehr individuell und wenn sie originell sein sollen, eher peinlich. Haben Sie schon mal samstags mittags bei IKEA Ihr Fahrzeug gesucht? Oder aus einem Stapel Anschreiben die besten ausgewählt? Solche Unternehmungen sind zeitraubend und nerven. Die Uniformität der blankpolierten Mittelklasse-Bewerbungen setzt natürlich auch selbst einen Maßstab. Viel dröger als ein normales, auf Vorlagen basierendes Anschreiben darf die eigene Bewerbung nicht werden.
Von einem Brief, der mit Hilfe des Bewerbungszentrums eines Arbeitsamts getextet wurde, darf man annehmen, dass er qualitätsmäßig zumindest der Golfklasse entspricht. Nach Durchsicht eines solchen Schreibens kann ich aber nur sagen: Dann schon lieber mit dem Fahrrad.
Der Bewerbungsberater im Arbeitsamt hat seine Beratungskompetenz so umgesetzt:
Bewerbung als Dipl.-Bibliothekarin (Teilzeit) /
Ihr Stellenangebot im Internet (Jobbörse) vom 30.1.2002
Sehr geehrter Herr Quart,
Sie suchen für die Bibliothek des Medizinischen Instituts eine freundliche, flexible und aufgeschlossene Dipl.-Bibliothekarin. Diese Erwartungen erfülle ich und bin zudem gewöhnt, selbständig und eigenverantwortlich zu arbeiten, mich aber auch engagiert in ein Team einzubringen.
Der Umgang mit integrierter Bibliothekssoftware ist mir durch meine früheren Tätigkeiten bestens vertraut. In der Zentralbibliothek der Phenon-Werke war ich unter anderem für die zentrale Katalogisierung mit dem Bibliotheksverwaltungssystem DOBIS/LIBIS verantwortlich. Auch Benutzerberatung, Ausleihe, Literaturbeschaffung, Datenbankpflege und -recherchen sowie die Betreuung von Praktikanten gehörten zu meinen Aufgaben.
Nach einer mehrjährigen Familienpause bin ich nun hochmotiviert, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Für meinen beruflichen Wiedereinstieg habe ich mir im Laufe des vergangenen Jahres solide PC-Kenntnisse angeeignet. Ich bin mit den gängigen MS-Office-Anwendungen vertraut und erfahren im Umgang mit dem Internet. Speziell hierzu habe ich auch Online-Seminare absolviert, die besonders auf bibliothekarische Erfordernisse zugeschnitten sind.
Ich bin mir daher sicher, dass ich mich schnell und erfolgreich in den von Ihnen beschriebenen Aufgabenkomplex einarbeiten kann.
Im Rahmen meines einjährigen Praktikums an der Anhaltinischen Duodezbibliothek hatte ich bereits Gelegenheit, ein einwöchiges „Schnupperpraktikum“ in der UB Dresden zu absolvieren; dabei habe ich die Arbeit an einer großen Universitätsbibliothek als vielseitig und abwechslungsreich kennengelernt. Besonders reizt mich bei der von Ihnen angebotenen Stelle die Mischung von Verwaltungstätigkeiten wie Katalogisierung und Erwerbung mit benutzerorientierter Arbeit wie Ausleihe und Beratung.
Auf die Gelegenheit zu einem Vorstellungsgespräch freue ich mich und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ich weiß nicht, ob es in amtlichen Beratungszentren mehr staubt als sonst wo. Diese Wolke von mit Anschreibenspartikeln aufgeladenen Floskeln bringt einen zum Husten. Mehr aus Mitleid denn aus professioneller Neugier möchte man fragen: Wer berät eigentlich im hiesigen Bewerbungszentrum? Erfolgreich in Aufgabenkomplexe eingearbeitete Diplompädagogen? Benutzerorientierte Schnupperpraktikanten?
Einige Anmerkungen.
Sollten Freundlichkeit, Flexibilität und Aufgeschlossenheit tatsächlich die drei vom Anbieter reklamierten wichtigsten Kompetenzen sein, so reicht es dennoch nicht, treuherzig zu beteuern, dass man die diesbezüglichen Erwartungen erfüllt.
Immerhin ist es der Bewerberin bereits zur Gewohnheit geworden, sich ... engagiert in ein Team einzubringen. Wann, wo, wie und mit welch tollem Ergebnis, möchte man fragen. Personaler sind es ja gewohnt, sich aus kargen Stichwortlisten ein Bewerberbild zusammen zu reimen. Doch welche Benutzer auf welche Weise beraten wurden, welche Literatur in Koordination mit wem beschafft, welche Datenbank womit gepflegt wurde und welche Recherchen man mit welchen Tools angestellt hat, dies alles könnte doch der Erläuterung wert sein. Ob die Betreuung von Praktikanten einem nennenswerte Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern verschafft, wäre in Ruhe zu überlegen. Vielleicht im Praktikantenzimmer, bei einer Tasse Kaffee.
Andererseits möchte man doch ins Bewerbungszentrum des A-Amts eilen, um die Mitarbeiter zu fragen, wo sie die fetten, komplett auf Bewerberpersönlichkeiten zugeschnittenen Wendungen her haben. Das ultimative Gleitwort nun oder das Adrenalin freisetzende hoch motiviert zum Beispiel. Und was sind die gängigen MS-Office-Anwendungen? Word, Excel, PowerPoint? Und welche noch? Personaler wissen, womit Kandidaten bevorzugt umgehen: mit Menschen. Addiert man jetzt noch das Internet dazu, werden Personaler sich bald auf Statements freuen dürfen wie: Ich habe sehr viel Freude am Umgang mit Menschen und mit dem Internet.
Und was lesen Personaler denn lieber:
a) Ich bin mir daher sicher, dass ich mich schnell und erfolgreich in den von Ihnen beschriebenen Aufgabenkomplex einarbeiten kann.
b) Der Leiter der Anhaltinischen Duodezbibliothek, Herr Dr. Oktav, wird Ihnen gern nähere Auskunft über meine erfolgreiche Tätigkeit im Bibliotheksdienst geben.
Ich wette, jeder Personaler ist sich darüber sicher, dass er verlässliche Fakten mehr schätzt als Bewerbertalk über das schnelle Einarbeiten in Komplexe.
Zu welch gutem Zweck man die Arbeit an einer großen Universitätsbibliothek als vielseitig und abwechslungsreich kommentieren muss, kann ich nicht sagen. Dass hier aber ein üblicher Mix der für den Job absolut üblichen Aufgaben jemanden ausgesprochen vom Hocker reißt, ist doch ein starkes Stück. Personaler sind da durchaus reizbar. Betulich ausgesprochene Banalitäten eignen sich nicht so gut, um Jobfreude zu beweisen.
Wo oder wie man schließlich mit freundlichen Grüßen verbleibt? Vielleicht im Beratungsnirvana. Ich finde, dieses Anschreiben gehört in die Steffi-Corsa-Klasse und wie die Bewerberin damit gut fahren soll, ist mir ein Rätsel.
2.
Die für eine(n) Diplombibliothekar(in) ausgeschriebene Position verlangt - man ist nicht überrascht - selbständige und genaue Arbeitsweise, Organisationstalent, EDV-Kompetenz, Team- und Kontaktfähigkeit, Erfahrung und Sicherheit im Umgang mit elektronischen Medien, Offenheit für die Weiterentwicklung der bibliothekarischen Dienstleistungen. Ach, und Flexibilität hinsichtlich der Arbeitsbereiche und Arbeitszeit, was gestandene Diplombibliothekare (nach meinen Erinnerungen als Hiwi und als Bibliotheksflaneur) möglicherweise überfordert. Wenn sie schon alles akkurat machen, dann wollen sie auch akkurat um 16.30 ihre Diensträume verlassen.
Die Aufgaben: Beratung von Studierenden und Lehrkräften, Literatur-Beschaffung, Ausleihe, Datenbank- und Internetrecherchen, Zeitschriftenbearbeitung ... ich stoppe hier und fasse den diplombibliothekarischen Erfahrungshorizont am besten zusammen: Bücher laufen nicht weg.
Mein Vorschlag für ein nicht-ganz-so-piffliges Anschreiben:
Mitarbeiterin für die Bibliothek des Medizinischen Instituts;
Ihr Stellenangebot auf praesenz.bibliothek.net
Sehr geehrter Herr Quart,
ich bin Diplom-Bibliothekarin und habe mehrjährige berufliche Erfahrung in wissenschaftlichen Bibliotheken und Firmeneinrichtungen. Durch meine Tätigkeiten für die Universitätsbibliothek Marburg und die Zentralbibliothek der Phenon-Werke in Emmertshausen bin ich mit den von Ihnen beschriebenen Anforderungen vertraut. Besonders hervorheben möchte ich meine erfolgreiche Front-Desk-Arbeit, zum Beispiel die von mir reorganisierte Einführungsreihe für Bibliotheksnutzer und deren Beratung.
Zu meinen Erfolgen zählt aber auch die Erarbeitung eines Regelwerkes zur Katalogisierung mit dem Integrierten Bibliothekenverwaltungssystem DOBIS/LIBIS. Organisatorisches und administratives Geschick stellte ich als verantwortliche Mitarbeiterin für eine Fachbibliothek unter Beweis. Meine Serviceorientiertheit und meine Anpassungsfähigkeit kamen mir während meiner Tätigkeiten in der Industrie zunutze. Praktika leistete ich während meiner Ausbildung an renommierten Instituten ab: in San Diego (CA), Marburg sowie im Jahr 1991 auch in Ihrem Haus.
Ich nutze die eingeführten Bibliotheksanwendungen ebenso wie MS Office. In eigener Initiative habe ich mich in Internetrecherche und Webseitengestaltung eingearbeitet. Um mich über Trends und Entwicklungstendenzen in meinem Fach zu informieren, absolviere ich derzeit den vom EKZ Mannheim durchgeführten, sechsmonatigen Online-Fernkurs bibweb – Internettraining für Bibliotheken.
Über meine fachliche Eignung kann Ihnen Ihr früherer Mitarbeiter und jetzige Leiter der Anhaltinischen Duodezbibliothek, Herr Dr. Oktav, gern nähere Auskunft geben. Nach Mutterschaftsurlaub und Erziehungsjahren strebe ich die Rückkehr in meinen Beruf an – bevorzugt in eine 75% – 50%-Stelle.
Über die Rückkehr an die Bibliothek meiner Ausbildungsstätte würde ich mich besonders freuen. Könnten Sie sich meine Mitarbeit vorstellen? Dann schreiben Sie mir doch eine Mail oder rufen Sie mich an und vereinbaren Sie mit mir ein Gespräch.
Mit herzlichen Grüßen aus Neckargeschwind
Mein Tipp für Berater und Bibliothekare mit Internetzugang: die Evolutionsgeschichte der Bewerbung endet nicht mit Eichborn und Falke. Besuchen Sie jova-nova.com im Internet und blättern Sie durch die Vorlagen und Beispiele. Dort finden Sie einsichtig begründet, warum man so und nicht anders formuliert. Falls Sie wirklich ein Anschreiben brauchen, das sich unterscheidet.
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8. Februar 2002; zuletzt überarbeitet: Berlin, 17.2.2009
Ich schreibe für den verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Bewerbungswege, Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback!
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