"Meine zwei Bewerbungen haben zu zwei Bewerbungsgesprächen geführt, die ich diese Woche antreten werde. Bis dahin überdenke ich die Gesprächssituation und bin gespannt, wie es jetzt definitiv wird, zumal ich nicht einem Personaler, sondern einem weit über sechzigjährigen Chefarzt gegenüber sitzen werde …"
Alle alten Chefärzte möchten ihr Haus bestellen und legen Wert darauf darauf, dass junge Talente im Geist des Seniors wirken, dass sie einem nicht den Laden unter dem Chefstuhl hochgehen lassen und dass insgesamt der definitiv hohe Standard des Hauses, der bislang in der Geschichte der Gesundheitsversorgung kaum je erreicht wurde, auch dem Neuzugang als ernste Verpflichtung und Richtschnur gilt.
- Erscheinen Sie im selben Anzug, in dem der Chefarzt Sie sonntags abends in der Philharmonie erblicken möchte.
- Stellen Sie sich darauf ein, Weisheiten in ihrer Langfassung zu lauschen. Üben Sie, förmlich an den Lippen zu kleben.
- Kalkulieren Sie ein, dass man Sie nicht all zu exploratorisch befragen wird. Ihr Gegenüber verlässt sich seit 1972 ganz auf seine Nase.
- Bereiten Sie sich darauf vor, wenigstens ein paar Ihrer Hauptargumente anzubringen - auch bei unpassender Gelegenheit, denn es wird sich Ihnen nicht unbedingt eine Chance bieten, alle Ihre Stärken zu kommunizieren.
- Machen Sie sich selbst nicht allzu groß - vermitteln Sie, dass alerte Tüchtigkeit und effiziente Unauffälligkeit Ihre beiden grundlegenden Tugenden sind.
- Reden Sie nicht zu lange. Halten sie keine Vorträge. Dozieren Sie nicht: Gehen Sie nicht zu sehr ins Detail. Einzelheiten regeln für den Chef stets die Mitarbeiter.
- Memorieren Sie einige Namen von Koryphäen (und einige Details ihrer Laufbahn) aus der Generation des Gesprächspartners und würzen Sie damit bei Gelegenheit Ihre Rede.
- Beschreiben Sie präzis Ihre Technik, Methodik und Praxis und verweisen Sie darauf, in welchem Maß Sie die bewährten Verfahren Ihres Gegenübers adaptieren bzw. die von ihm damals aus den USA mitgebrachte und eingeführte Good Practice fortsetzen.
- Lassen Sie ausgesuchte Zauberworte einfließen: "mein Golfpartner aus der Industrie, der Kollege"; "auf Prozesshaftigkeit ausgelegtes Qualitätsmanagement", "gegenüber Kosten besonders aufmerksame Mitarbeiterentwicklung", "kontinuierliche Leistungsoptimierung", aber reden Sie nicht wie ein altkluger M.A. für Health Management.
- Erwähnen Sie, dass heute nur noch echte Idealisten das medizinische Fach studieren. Egal, ob die Kinder des Chefarzts famulieren oder fabulieren, Sie machen damit einen Punkt.
- Bilden Sie im Gespräch einen Satz aus den Worten „Last“, „tragen“, „schwere“„ Sie“ und „eine“ und sprechen Sie diese große Wahrheit gelassen aus.
Sofern Sie nichts von all dem tun möchten, ziehen Sie sich zumindest dem Anlass entsprechend an und bringen Sie einen Korb von Referenzen, Mentoren, Aus- und Vorbildern mit ins Gespräch. Mediziner-Talk ist immer Insider-Talk.
26.11.2007
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