Wie immer im Leben geht es meist mit rechten Dingen zu und wir werden gerade wegen unserer Schwächen geliebt.
(Wegen unserer Stärken begehrt man uns ja bloß.)
Vorgesetzte (und Mitarbeiter) aber leben und denken nach anderen Regeln. Sie möchten zum Beispiel nicht ständig auf uns warten,
finden es nicht süß,
dass wir uns ständig verrechnen und die nette Unart,
uns anvertraute kleine Geheimnisse sofort weiterzuplaudern, treibt sie flugs auf die Wedelpalme.
Ausgestattet mit diesem Vorwissen über die Welt der Arbeit und ihre harschen Regeln, trifft Sie in einem Bewerbungsgespräch ausgerechnet die Frage nach den eigenen Schwächen. Dazu gäbe es schon manches zu sagen,
aber Ihr wacher Instinkt warnt,
dass Sie jetzt weder lügen dürfen noch die Wahrheit äußern.
Das eine sähe man Ihnen immer noch an der Nasenspitze an
und das andere ginge dann doch zu weit.
Warum überhaupt diese heikle Frage? - Sie müssen beweisen, dass Sie sich realistisch einschätzen können,
dass Sie wissen, wo Ihre Defizite liegen, dass Sie in der Lage sind,
Fehleigenschaften auszugleichen.
Sie müssen nicht offenlegen,
dass Sie mit großer Freude auf der Autobahn Witwen und Waisen abdrängen.
Persönliche Schwächen, die mit der beruflichen Sphäre nichts zu tun haben,
bleiben außen vor.
Wer Sie befragt, will nicht Ihr Ego ausloten,
sondern Ihre Eignung checken.
Doch wo können Sie unbesorgt fehlen? Welche Vorzeigesünden passen ins Schema?
Von einem alten Bewerbungstrainer erhalten Sie den Rat,
eine vermeintliche Schwäche anzugeben:
"Machen Sie doch aus Ihrer Schwäche eine Stärke!" -
Da gibt es ja einiges, was Arbeitgeber mächtig beeindruckt:
Könnte Ihr Interviewer Sie wegen solcher und ähnlicher Liebesdienereien für einen Heuchler halten?
Könnte man glauben, Sie wollten sich anbiedern und wildfremden Arbeitgebern an die Brust werfen? -
Man könnte und man wird.
Greifen Sie lieber auf eine Ihrer realen Schwächen zurück, aber setzen Sie sie instrumental ein.
Ihre Schwäche muß Ihr Erscheinungsbild als wünschenswerte(n),
kompetenten neue(n) Mitarbeiter(in) verstärken und nicht trüben.
Hier sind einige Vorschläge:
Ihr Mangel - in Wirklichkeit eine Richtungsangabe zur eigenen Weiterentwicklung. Das offenbarte Manko darf dann natürlich nicht eine der ausgeschriebenen Jobvoraussetzungen sein! -
Beispiele: "Ich habe als Geograph von Kundensorgen zu wenig Ahnung,
deshalb bin ich in letzter Zeit öfters mit dem Außendienst unterwegs gewesen."
"Ich hatte, als ich bei ... anfing, von Fund-Raising noch gar nichts gehört und ich denke,
dass ein Geschäftstellenmitarbeiter auch davon etwas verstehen muß."
Ihr Mangel - in Wirklichkeit Zeichen Ihrer beruflichen Karriere. - Beispiele: "Meine EDV-Kenntnisse habe ich als
Filialleiterin ein wenig einschlafen lassen."
"Zum Entwerfen komme ich in der Agentur nur noch selten."
Ihr Mangel - in Wirklichkeit Zeichen Ihrer Lernfähigkeit. Beispiele: "Uns ging vor einem Jahr fast ein dicker Auftrag verloren,
weil ich zuwenig Kontakt zum Kunden gehalten habe.
Das habe ich seither geändert."
"Als ich gemerkt habe, dass ich Probleme hatte, eine Gruppe von Geisteswissenschaftlern zu führen,
habe ich mich gleich zu einem Seminar angemeldet."
Ihr Mangel - in Wirklichkeit Beleg Ihrer Stärken. - Beispiel: "Wir haben ja bei ... sehr kreative Köpfe
und ich suche wirklich mit Ihnen das Gespräch.
Aber mir als Verwaltungsfachfrau ist das doch eine fremde Welt".
Schon vor einem Jobinterview können Sie aus dem Arsenal der guten Argumente leicht das treffende aussuchen.
Vergessen Sie jedoch nicht, dass Sie sich durchaus selbstkritisch Ihren eigenen Schwächen,
Fehlern und Defiziten stellen müssen.
Achten Sie auf die kleinen und großen Signale in Ihrer Arbeitswelt.
Gerunzelte Augenbrauen, gequälte Blicke, Anspielungen, Vorwürfe oder der Umstand, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen stillschweigend Arbeit erledigen,
die eigentlich Ihnen zugedacht war -
das sollte Ihnen mehr als zu denken geben.
Sie sollten zu beidem in der Lage sein: eigene Schwächen im Bewerbungsgespräch operational einzusetzen und an ihnen zu arbeiten.
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Text zuletzt überarbeitet: Berlin, 22.02.2009.
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