Unvergesslich, wie zwei ergraute Kollegen einmal über einem Märklin-Katalog die Köpfe zusammensteckten - und alles herum, was bloß im Maßstab 1:1 war, völlig vergaßen.
Ob wir etwas liebend gern oder höchst ungern tun, wir definieren uns damit. Für uns selbst wie für die anderen. Bei manchem, wie der Beschäftigung mit Modelleisenbahnen, sind wir nicht ganz sicher, ob das wirklich so eindeutig für uns spricht.
(Dabei hütet man sich ja schon vor solchen Exzessen wie kleine Leute in die Waggons zu kleben.)
Hobbys gehören zur Pflichtausstattung zivilisierter Menschen. Wehe, es wollen einem keine einfallen. Ein junger Mann gibt unter INTERESSEN im Lebenslauf an: „Freundschaften mit Menschen anderer Länder und Kulturen." Unter SONSTIGE AKTIVITÄTEN notiert eine Schulabgängerin: "Beschäftigung mit dem Internet."
Das ist gewiss zum Schulterklopfen löblich. Was bringt aber einen Personalverantwortlichen dazu, auf private Interessen und Hobbys überhaupt einen Blick zu werfen?
In der Regel nur die trostlose Abwesenheit von sonstigen entscheidungsfördernden Fakten.
Als Schulabgänger ist man noch so jung und steht so ganz geschichtslos und ohne sinnfällige Daten da. Alles, was auf irgendwelche, den Ausbildungserfolg fördernde Fähigkeiten und Kenntnisse verweist, sollte man da tunlichst anführen. Sogar, wenn es Vorteile bringen kann, den Beruf der Eltern. Beispiel: Vater Akrobat, Mutter Opernsängerin, Jung-Wilhelm sucht Lehrstelle in Wandertheater.
(Wenn Sie nach dem 17., 18. Lebensjahr noch Ihre Ex-Erziehungsberechtigten in den Lebenslauf schreiben, brauchen Sie dafür schon einen triftigen Grund. Respekt vor dem Alter ist keiner.)
Auch, wenn Sechzehn- bis Zwanzigjährige belegen können, dass sie sich eingliedern, dass sie Regeln befolgen und sich von Idealen leiten lassen, haben sie bessere Karten. Bewährte Einsatzgebiete sozialen Engagements sind Vereins-, Jugendarbeit, Engagement in Politik, Umweltschutz, Kirche...
Ich würde als junger Mensch, der keine besonders qualifizierte Tätigkeit anstrebt, Mitgliedschaften in Vereinen oder ein ehrenamtliches Engagement anführen, um zu beweisen, dass ich mich in einem ordentlichen und gefestigten Umfeld bewege.
Und wenn Sie was erlernen wollen, wozu man Grips, Vorwissen und Geschick braucht? Dann belegen Sie das und schwadronieren Sie nicht von Ihrer Vorliebe für Kraulen und Wassertreten.
Von einem Hochschulabsolventen, z.B. der Wirtschaftswissenschaften, wird stillschweigend vorausgesetzt, dass er angepasst ist und seine Nächte nicht bei Tanz, Kartenspiel und Alkohol verbringt. Diese Leute spielen gern im Lebenslauf die Statuskarte aus mit Mountain Bike, Tennis, Squash, Snowboarding. (Nicht, dass dies je stichhaltige Argumente wären.)
Als Führungskraft runden Ehrenämter ("Vorsitzende(r) der Lebenshilfe e.V.") das schöne Bewerberbild ab.
Solange eine Freizeitbeschäftigung nicht beruflichen Einsatz und Arbeitsleistung beeinträchtigt, interessiert sie jedoch Jobinterviewer nicht die Bohne. Solange man im Lebenslauf angibt, dass man Golf spielt oder segelt, gehört man eben noch nicht zu den Players. (Klar macht man unter sich, auf dem Golfplatz die besten Geschäfte. Wo denn sonst? In Meetings mit den drögen Untergebenen?)
Gesellschaftsfähig zu sein, Werte internalisiert zu haben, als ausgeglichener Mensch kein potenzieller Störfall zu sein oder sogar Führungseigenschaften zu beweisen - dafür dienen Hobbys und Interessen wendigen Bewerbern als Beleg.
Dass ich gerne jogge, lese, im Cafe des Museums of Modern Art in San Francisco verweile und die Tall Latte-Genießer betrachte, das würde ich in keinem Jobinterview erzählen. Wenn ein Gespräch persönlich wird, kann das schon bedeuten, dass sich die Gesprächspartner wirklich gut verstehen - wahrscheinlicher aber ist, dass ein Seelenausleuchter im Personalwesen seine unprofessionelle Neugierde auslebt. Und noch wahrscheinlicher: Man bohrt verzweifelt nach irgendetwas Positivem im Bewerberleben.
Kurzum, wenn Freizeitaktivitäten nicht unmittelbar argumentativ eingesetzt werden können, braucht man sie nicht zu erwähnen. Und weil sie Argument sind, darf man auch nie flunkern. Dass man sich in Dampfkraft und Triebwagentechnik auskennt, das muss man ja vielleicht wirklich einmal beweisen.
Ich hatte in meinem Leben das Vergnügen, ein paar Lebensläufe von wirklichen Spitzenleuten anzuschauen. Da stand natürlich nichts von Hobbys und Interessen. Ist nicht Karriere das schönste Hobby? Erfolg das Hauptinteresse?
Nicht für Sie? Na, dann viel Spaß beim Fernsehabend.
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Scherzheim, 17.11.99; zuletzt aktualisiert: Berlin, 14.02.2009.
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