Welche Farbe hat Dein Lebenslauf?
„Wie soll man den Lebenslauf auf die in der Stelle genannten Erfahrungen und Anforderungen anpassen, um dem Leser eben genau das Auffinden dieser Infos zu erleichtern? Könnte man die Reihenfolge der Substantive pro Jobstation ändern und nach Relevanz sortieren? Für die Stelle weniger relevante Substantive weglassen? Mit Fettdruck besonders passende Informationen hervorheben? Und was ist mit den etwas diffuseren Anforderungen an die persönlichen Qualitäten? Wie bringt man die in den Lebenslauf ein?“
– Ich fürchte, Sie denken in die falsche Richtung. Lassen Sie mich offen sagen, was ich daraus schließe:
1. Sie halten offenbar so wenig von Ihrer eigenen Leistungsbilanz, dass Sie auf jede Stellenofferte (mit all den seltsamen, banalen, unmöglichen oder vagen Forderungen, die man als Bewerber darin findet) mit Aktionismus reagieren.
Sobald Sie befürchten, dass Ihr Lebenslauf nicht gefällt, und das tun Sie immer, dröseln Sie ihn auf. Aus dem Material stricken dann ein Gefälligkeitsprofil. Sie sind sogar bereit, wesentliche Angaben zu streichen oder nach hinten zu schieben, nur um einer von Ihnen angenommenen Erwartungshaltung des Jobanbieters zu entsprechen.
Ganz anders als Sie reagiert jemand, der ein stabiles berufliches Selbstbild, ein gefestigtes berufliches Selbstbewusstsein hat. Kein Berufstätiger, der auf seine Laufbahn stolz ist, käme auf die Idee, seinen Lebenslauf für irgendeine Offerte umzustricken. Sie sind doch das, was Sie im Leben gemacht (und unterlassen) haben. Sie sind doch nicht mal so und mal so, je nach dem, was gerade gewünscht wird.
Wie gesagt, der Lebenslauf ist eine Leistungsbilanz und keine Ad-hoc-Illustration des guten Bewerberwillens. Sie üben sich in Bilanzkosmetik. Und das grenzt für mich an Bilanzfälschung.
Mein Rat: Arbeiten Sie ein ehrliches, faktisches, nach Relevanz gewichtetes und schlankes Faktenblatt aus und setzen Sie es solange ein, wie sich der Datenbestand nicht ändert.
2. Sie halten fast noch weniger vom Stellenanbieter als von Ihrem eigenen Werdegang. Dem Stellenanbieter unterstellen Sie, dass er in einer nur zwei- bis dreiseitigen, als übersichtliche Tabelle aufgebauten und allein aus Fakten, Daten und Zahlen bestehenden Entscheidungsvorlage nicht die Schlüsselwörter finden kann, auf die es ihm und Ihnen ankommt. Ja, sein berufliches Interesse an einer erfolgreichen Stellenbesetzung soll so gering sein, dass er Ihr Profil beiseitelegt, wenn Sie ihm nicht starke Reizwörter unter die Nase reiben. Die von Ihnen imaginierte Person aus der Personalabteilung ist offenbar dermaßen grob gestrickt, dass Sie zum Fettdruck greifen. Insgeheim halten Sie diesen Menschen wohl für zu dumm, als dass er Ihr Profil, so wie es sich zusammensetzt, verstehen und einschätzen könnte.
Ein negatives berufliches Selbstwertgefühl kombinieren Sie mit der Idee, dass ein Jobanbieter eher desinteressiert und zu faul zum kursorischen Lesen ist, und dass man ihm darum den Lebenslauf anzumischen und aufzumotzen hat. Das motiviert und verdammt Sie zum unaufhörlichen Lebenslauf-Tuning. Der Datenbestand Ihres Lebenslaufs ist darum nicht so hoch aggregiert, wie er es wäre, wenn Sie ihn mit Ihren ureigenen Leistungsdaten bestückt hätten.
Ein Recruiter sieht darin weniger seine konkrete Erwartung gespiegelt. Er erkennt Ihr Bestreben, ihm nach dem Munde zu reden. Was Arbeitgeber aus solchen Lebensläufen lesen: Unsicherheit. Beflissenheit. Die Neigung zu Schlagwörtern, Buzzwords, eitlen Phrasen. Und die Absicht, dem Auswerter auf die Nase zu binden, was er von einem zu halten hat.
Mein Rat: Sie kommen für unterschiedliche Jobs in Frage? Toll, aber Sie haben dennoch nur ein Leben gelebt. Bilden Sie Ihre Lebensleistungen im Lebenslauf ab, und zwar so, dass Ihre gesamten, unterschiedlichen Erfahrungen und Erfolge und Ihr gesamtes Potential klar abgebildet werden. Das Aktuellere kommt nach oben und hat mehr Platz. Welche Rubrik die erste Seite dominiert (BERUFLICHE LEISTUNGEN oder AUSBILDUNG oder KENNTNISSE & FÄHIGKEITEN oder WEITERBILDUNG), das hängt allein davon ab, ob Sie da verzeichnen können, was zum jetzigen Zeitpunkt am meisten für Ihre besondere Jobeignung spricht.
Mit anderen Worten: Ihr aktueller Lebenslauf bleibt gleich, egal für welchen Job Sie sich jetzt bewerben. Falls Ihnen das Probleme macht, dann lassen Sie Ihr Unbehagen nicht an Ihrem Lebenslauf aus. Texten Sie ein überzeugendes Anschreiben oder überzeugen Sie in der direkten, persönlichen Ansprache eines Arbeitgebers.
Wenn Sie denken, Sie haben im Leben zu wenig erreicht, dann versuchen Sie, im Leben und nicht im Lebenslauf mehr zu erreichen.
Wenn Sie denken, Sie haben im Leben zu viel und zu viel Disparates gemacht, dann schreiben Sie das dennoch getreulich auf. Finden Sie dann in Ihrem Lebenslauf den roten Faden. Den gibt es immer, und ich kann Ihnen versichern, bei den meisten Menschen ist das kein dünner Faden, sondern ein dickes Tau.
Neuenhagen bei Berlin, 22.3.2018
Ich schreibe für den verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Bewerbungswege, Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback! Text-Piraten: Der Content auf meinen Seiten ist keine Public Domain.
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