Moderator: Willkommen beim offenen Chat mit dem Bewerbungshelfer Gerhard Winkler.
Gerhard Winkler: Hallo, liebe Job-Chatter! Die Grundschullehrer in Berlin weigern sich, ihre Drittklässler zu testen. Es heißt, die Kiddies können die Aufgaben noch nicht einmal lesen, geschweige denn die Aufgabenstellung erfassen. Die Wirtschaftsinstitute warnten letzte Woche wieder einmal vor ausbildungsunfähigen Schulabgängern. Vielleicht sollten wir uns alle hier abmelden und www.teachfirst.de aufsuchen, um mit unserem Engagement beizutragen, dass das Bildungsniveau (wenigstens außerhalb von Berlin) ein wenig angehoben wird. Doch wir sind hier, um unsere eigenen Hausaufgaben zu machen. Was liegt bei Ihnen an? Wie weit sind Sie mit Ihrer Jobfindung?
Falls Sie zwischendurch Zeit für meine Fragen haben: Kommt man heute auch ohne Lebenslauf in den Job? Haben Sie dafür Beispiele? Mit der wievielten Fassung Ihres Lebenslaufs arbeiten Sie heute? Was schätzen Sie? Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Lebenslauf?
Matthias: Ein Hallo in die Runde! Ich glaube, ich arbeite mittlerweile mit meiner zehnten Version des Lebenslaufs. Und ja: Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten. Es war glaube ich die Word Vorlage "Eleganter Lebenslauf" Anfang der Neunziger Jahre.
Gerhard Winkler: War die sportliche Variante im Vorlagenmenü so schrecklich? Was finden Sie an Ihrem aktuellen Lebenslauf am besten?
TV: Ich glaube ein Lebenslauf ist heute unverzichtbar. Wer sich von der Masse abheben möchte und nur durch sein Anschreiben punkten möchte, landet wahrscheinlich schnell auf dem Ablagestapel. In Zeiten von 300+ Bewerbern für eine Stelle, so sagten mir mehrere Personaler, werden meistens eh nur die Lebensläufe gelesen und dann erst dann das Anschreiben, wenn der Bewerber in Frage kommt.
Gerhard Winkler: Ich frage mich, wie lange der tabellarische Lebenslauf noch überlebt ... praktischer jeder hat doch mittlerweile eine Reihe von Profilen online stehen.
TV: Onlineprofile setzen aber die Bereitschaft der Recherche voraus. In kleinen Firmen und bei wenig Bewerberaufkommen sicher eine Alternative, aber das Komplettpaket mit Anschreiben und Lebenslauf sowie den Zeugnissen ist wahrscheinlich der geringste Aufwand.
Gerhard Winkler: Meine ganze Bewerbungsberatung lebt davon, dass ich unverwechselbare und klar konturierte Profile aufbaue. Das ist eine sprachliche Leistung und eine Verstehensleistung, die Personaler hoffentlich honorieren. Ich frage mich, wo das individuelle Profil, das Charakteristische einer Person bleibt, wenn man Daten in Eingabefelder einfüllt.
Matthias: Ich habe ebenfalls eine Abneigung gegen Bewerbungs-Formulare in heutigen Jobportalen. Aber ich vermute, dass bei großen Firmen heutzutage diese Formulare der einzige Weg ist, einen Job bei dieser speziellen Firma zu ergattern. Das ist schade.
Gerhard Winkler: Online-Formulare füttert man dann leicht, wenn der Lebenslauf bereits alle Kerndaten argumentativ gewichtet aufführt. Es ist leichter, die Maschinerie zu bestücken, wenn der Korb wohl gefüllt ist.
Matthias: Ich hoffe, ich werde hier nicht aus dem Chat geworfen, aber ich muss gestehen: Ich habe Anfang Jahr meinen Lebenslauf von Ihrer Vorlage (die auch recht gelungen war) in eine Vorlage von einem anderen Anbieter umgewandelt (Keine Angst, nicht H/S). An dem CV gefiel mir bei den Arbeitsstationen eine kurze Beschreibung unter "Details", wo mit zwei/drei Sätzen auf den jeweiligen Job eingegangen wird. Er ist dadurch etwas gewachsen, bleibt aber mit 2,5 Seiten noch gerade im Rahmen.
Gerhard Winkler: Oh, das ist, wenn ich es recht verstehe, nur eine Layout-Frage. Die Details zum Job rücke ich unter die erste Zeile ein.
Gerhard Winkler: Hallo, TV! Hallo, Jana! Hallo, SK! Hallo, Matthias! Hallo, Anne!
Gerhard Winkler: Was führt Sie heute Abend zum Chat?
TV: Hallo Herr Winkler, in Ihren Artikeln weisen Sie ja mitunter darauf hin, dass ein hervorragend und qualifizierter Abschluss ein großer Türöffner ist. Genau da liegt mein Problem. Ich habe mein Wirtschaftsstudium größtenteils berufsbegleitend absolviert und leider unterm Strich nur befriedigend abgeschlossen. Meine Frage: Wie gehe ich damit in Anschreiben um? Verschweigen, der Personaler sieht’s ja selbst im Zeugnis? Offensiv und selbstbewusst: Ich kann mehr als meine Noten zeigen? Oder doch der Mittelweg? Danke.
Gerhard Winkler: Lieber TV, Sie haben sichtlich viel Zeit für die Sicherung Ihres Lebensunterhalts verwendet. Sie haben einen respektablen Abschluss geschafft. Die Noten notieren Sie im Lebenslauf, aber auch die Schwerpunkte des Studiums. Im Anschreiben gehen Sie auf die Note nicht ein. Aber Ihre praktische Erfahrung breiten Sie in beiden Dokumenten aus. Für die Frage "Warum nur ein mittelprächtiger Abschluss" wappnen Sie sich. Aber Sie fokussieren sich weit mehr drauf, Ihre Praxistauglichkeit nachzuweisen!
Jana: Hallo Herr Winkler, in einem Onlinebewerbungsformular wird eine Gehaltsangabe erwartet, allerdings scheint dies kein Pflichtfeld zu sein. Würden Sie mir raten, eine Angabe zu machen? Wenn ja, wie hoch sollte diese sein? Es handelt sich um eine Position als Innovationsmanagerin. Nach meiner Onlinerecherche gibt es eine breite Spanne von 40.000-50.000 Euro für Berufseinsteiger bei vergleichbaren Unternehmen. Mitarbeiterauskünfte der favorisierten Stelle sind unmöglich einzuholen (neue Abteilung -> keine Erfahrungswerte). Was tun? 45.000 oder Angabe ganz weglassen?
Gerhard Winkler: Sie sind Berufseinsteigerin? Ich würde nicht ganz so forsch meine hohe Gehaltsforderung angeben. Warum nicht offen lassen, wenn es kein Pflichtfeld ist, wenn Sie sich keine Chance vergeben wollen, und wenn Ihr erstes Ziel ist, überhaupt in das Gespräch zu kommen. Wenn die Abteilung sowieso neu ist und man Einsteiger für den Posten als Innovationsmanager akzeptiert, wird man das Budget entsprechend einrichten.
Jana: Gut, ich war etwas unsicher, da man sich ja selbst bewerten soll. In einem Feld, welches viel Spielraum lässt, finde ich es schwer, die richtige Angabe zu treffen, ohne sich unter Marktwert zu verkaufen. Vielen Dank!
Gerhard Winkler: Sie können sich auf den Standpunkt stellen, dass Sie Ihren Preis erst dann kundtun, wenn Sie einem ernsthaft interessierten Leistungsabnehmer gegenüber stehen.
Gerhard Winkler: Konnten Sie Ihre guten Leistungsdaten im Online-Formular alle unterbringen?
Jana: Zusätzlich zum Online Formular gibt es die Möglichkeit, einen PDF-Anhang zu senden, der eine "normale Bewerbung" ermöglicht.
Gerhard Winkler: Wurden je in einem Online-Bewerbungsbogen Punkte oder Detailfragen angeschnitten, die Sie nicht sowieso im Lebenslauf oder Anschreiben beantwortet haben?
Jana: Im Fall, es kommt zum Bewerbungsgespräch und zur Gehaltsfrage: Wie hoch wirkt sich denn ein zweites Studium auf ein Einstiegsgehalt aus? Kann man mit 110 % des normalen Einstiegsgehaltes pokern oder ist es zu dreist?
Gerhard Winkler: Jobanbieter honorieren nur, was das Kompetenzprofil tatsächlich stärkt. Wenn Sie wissen, was man Einsteigern zahlt, können Sie um diesen Wert herum Ihr strategisches Pokerspiel starten.
Jana: Die Gehaltsfrage, die ich elegant versuchte zu umschiffen ...
Gerhard Winkler: Ich finde es gut, wenn man eingeladen wird, ohne dass man vorab seinen Gehaltswunsch äußern musste. Sie haben eine Stunde Gelegenheit, Ihren Jobclaim argumentativ zu untermauern. Wenn man dann aufs Geld kommt, dann haben Sie schon vermittelt, wie gut Sie sind. Man zahlt für überzeugende Bewerber eher mehr.
Matthias: Was spricht gegen ein tieferes Einsteigen bei Gehaltsverhandlungen? Wenn man dann zu dem selbst angebotenen tieferen Gehalt ein Angebot bekommt, bietet das doch Potenzial für zukünftige Gehaltsverhandlungen? Meiner Meinung nach besser, als mit einem zu hoch gegriffenen Gehalt den potenziellen Arbeitgeber zu irritieren.
Gerhard Winkler: Lieber Matthias, ich denke instinktiv so wie Sie und habe es mir als Berater mühsam abgewöhnt, das allzu vorsichtige Taktieren zu empfehlen. Es ist so mühsam, sich von einem Low-Level vergütungsmäßig hoch zu kämpfen. In der Zwischenzeit fahren andere schon die schweren Dienstwagen.
TV: Falls erlaubt, noch eine Frage: Wie stehen Sie zur persönlichen Abgabe in einer Bewerbung? Ich habe ein Stellenangebot in der Nähe gefunden und frage mich jetzt, ob das persönliche Erscheinen in der Firma nicht negativ-unprofessionell ausgelegt werden könnte (Das ist was für Schülerpraktikanten und Azubis)?
Gerhard Winkler: Sie dürfen so viel fragen, wie Sie wollen. Wir sind heute weniger Teilnehmer, da ich nicht per Maileinladung auf den Chat verwiesen habe.
Wenn Sie in der Nachbarschaft des Jobanbieters wohnen, gehen Sie immer vorbei. Lassen Sie sich Zeit, um ein bisschen herumzuschnuppern. Falls Sie mit jemanden auch nur in ein kurzes Gespräch kommen, haben Sie schon mehr erreicht als Ihre Mitbewerber.
Vanessa: Hallo Herr Winkler, ich bin seit dem 01.04. arbeitslos, habe vorher 11 Jahre in einem Unternehmen gearbeitet (auch dort meine Ausbildung gemacht) und war zuletzt - nach Schließung des Unternehmens, für 10 Monate in einer Transfergesellschaft. In der Zeit habe ich an 3 Qualifikationsmaßnahmen teilgenommen, meine Frage nun, womit beginne ich am einfachsten in meinem Anschreiben, um auch richtig auf mich aufmerksam zu machen?
Gerhard Winkler: Auf den ersten Blick (und von meinen Vorurteilen geleitet) würde ich sagen, dass Sie Ihr Anschreiben mit den vertraglich definierten Aufgaben, Verpflichtungen, Leistungen des letzten Jobs starten. Was Sie in den Maßnahmen erlernt haben, die Kenntnisse, die Sie aktualisiert oder erweitert haben, kommen erst im zweiten Drittel des Anschreibens.
TV: Wenn wir hier schon beim Fragenkanonieren sind: Ich würde gerne Ihren Service "Optimierung 1" in Anspruch nehmen. Da ich in naher Zukunft eine Reihe von Initiativbewerbungen versenden möchte, wäre mir mit einem modularen Anschreiben sehr geholfen. Könnten Sie mir diesbezüglich weiterhelfen oder texten Sie nur spezifische Anschreiben?
Gerhard Winkler: Generell versuche ich Anschreiben so zu texten, dass man sie für gleiche oder gleichartige Positionen nicht mehr groß variieren muss. Etwas anderes, wenn man sich für unterschiedliche Jobs aufstellt - dann braucht man immer auch spezifische Anschreiben.
TV: Bei Initiativbewerbungen ist mir aber die Anforderung einer möglichen Stelle im Detail nicht bekannt. Ich muss also mit meinem Qualifikationen überzeugen. Wenn ich mich bei den Initiativbewerbungen in der gleichen Branche bzw. im gleichen Arbeitsfeld bewege dann ähneln sich die Anschreiben doch weitestgehend?!
Gerhard Winkler: Ja klar. Sie trumpfen voll auf, ziehen in den ersten beiden Abschnitten des Anschreibens vom Leder, packen alles rein, was Ihre praktische Befähigung und Ihren Ausbildungsstand betrifft. Im dritten Abschnitt gehen Sie (meist) auf Ihren Bewerbungsgrund ein - da lohnt es sich, vorher die Zielorganisationen zu recherchieren!
Generell halte ich es so, dass ich ohne Ansehen der Zielfirma erst einmal den Bewerber so stark wie möglich darstelle. Kein Mensch erfüllt restlos alle Forderungen aus einer Stellenofferte (zumindest ist es brutal schwer, ihnen gerecht zu werden), aber es ist auch verlorene Liebesmüh, sich nach dem Jobanbieter zu strecken. Die holen sich die Leute, die in ihren Jobs und Ausbildungen geglänzt haben, auch wenn das Profil nicht exakt stimmt.
TV: Ob ich ich so viel Glanz versprühe wird sich zeigen. Da Ihre mir Ihre Herangehensweise an Thema Bewerbung aber sehr gefällt und ich jetzt schon knapp ein Jahr vergeblich Versuche mit meiner Version einer Bewerbung dort zu landen, wo ich hin möchte, lasse ich mich gerne überraschen, was Sie noch alles aus meinen Unterlagen heraus kitzeln. Wenn’s recht ist, schicke ich Ihnen zeitnah meine Unterlagen.
Gerhard Winkler: Ja, ich freue mich darauf!
Sabine: Hallo, ich würde gerne nach dem Studium in ein Arbeitsfeld wechseln, in dem man ohne Berufserfahrung eigentlich keine Möglichkeit hat, eine Stelle zu finden. Nun habe ich einen Platz in einem Seminar erhalten, das mich genau darauf vorbereitet und einen exzellenten Ruf hat. Das Seminar läuft von Juni bis August. Letzte Woche habe ich jedoch eine Trainee-Stelle gefunden, in der Berufserfahrung nicht vorausgesetzt wird. Auf der Homepage stand, dass man mit ca. 3 - 4 Monaten Vorlaufzeit rechnen muss, bis die Stellen besetzt wird. Nun würde ich gerne erwähnen, dass ich für dieses Seminar einen Platz habe und dass ich dieses Seminar auch gerne machen würde, sollte es für diese Trainee-Stelle von Vorteil sein. Wie stelle ich das am Klügsten an?
Gerhard Winkler: Hallo Sabine, schön, dass Sie mit uns chatten. Ich würde immer versuchen, so eine Frage telefonisch vorab zu klären! Grund: Anschreiben und Lebenslauf präsentieren eine Leistungsbilanz. Das Problem des Seminars betrifft Ihre Berufs- und Lebensorganisation. Sie vergeuden Platz und lenken von Ihrem Jobanspruch ab, wenn Sie so etwas im Anschreiben zur Sprache bringen.
Gerhard Winkler: Ein pragmatischer Weg ist, sich für das Seminar anzumelden und sich zugleich zu bewerben. Wenn es eine Trainee-Stelle ist, in die Sie hineinrutschen könnten, lässt es sich doch auch in aller Ruhe im Jobinterview besprechen, ob man Sie ins Seminar gehen lassen soll.
Gerhard Winkler: Vielen Dank für Ihre guten Fragen heute Abend! Ich hoffe, dass sich Ihre Bewerbungsaktionen auszahlen! Stehen bei Ihnen in den nächsten Tagen Jobinterviews an?
Jana: Wenn alles klappt, dann schon! Vielen Dank für Ihre Antworten!
Gerhard Winkler: Auch Ihnen drücke ich beide Daumen!
Matthias: Ich hatte gestern mein ersten Telefon-Interview. Es war das zweite Gespräch, diesmal mit einer Mitarbeiterin der HR-Abteilung. Es verlief meiner Meinung nach absolut positiv. Nun bin ich gespannt, ob ich den Job bekomme.
Gerhard Winkler: Glückwunsch! Die Leute aus HR stellen meist die unangenehmeren Fragen.
Danke für das Mitmachen. Schönen Abend zusammen! Ich hoffe, ich kann ein bisschen dazu beitragen, dass Sie beim Bewerben klarer sehen und beruflich weiter kommen!
Ich schreibe für den interessierten und verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge beim Bewerben und im Job. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback!
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