Moderator: Willkommen beim offenen Chat mit dem Bewerbungshelfer Gerhard Winkler.
Gerhard Winkler: Hallo, ich freue mich, dass Sie heute Abend ein wenig von Ihrer Zeit dem gepflegten Gespräch unter Karrierefreunden und Bewerbungsprofis widmen. Per Mail erhielten Sie heute meinen Anschreiben-Test:
Anschreiben: Was ist wahr?
1. Am besten, man setzt sein Anschreiben aus bewährten Textbausteinen zusammen.
2. Jobanbieter achten in besonderem Maß auf Rechtschreibung und Form.
3. Am Anfang bekundet man am besten sehr deutlich sein großes Interesse.
4. Wer sich selbst zu positiv darstellt, der fällt nur negativ auf.
5. Jeder Bewerber soll im Anschreiben vor allem anderen seine besonders hohe Motivation betonen.
6. Das Anschreiben ist die große Erzählung, wie alles beruflich gekommen ist.
7. Das Anschreiben ist nur ein Begleitschreiben zum Lebenslauf.
8. Das Anschreiben wird gar nicht richtig gelesen, da Personaler wissen, dass man dort sowieso nur übertreibt.
9. In das Anschreiben gehört der Hinweis auf die beigefügten Zeugnisse.
10. Je mehr Adjektive aus dem Bereich Soft Skills ein Anschreiben aufwerten, desto besser.
– Hier die versprochene Auflösung. Geleistet wird sie von meiner Berliner Kollegin Uta Glaubitz von berufsfindung.de: 1. Gerhard, Du bist ja mal wieder voll psycho!, 2. Leser achten besonders auf ein gutes Deutsch. 3. GRÄÄÄSSLICH! 4. … 5. HÜÜÜÜLFE!!!! 6. ARGH! AUFHÖREN! … 10. Nein, aufhören, Hilfe!
- Sie merken, wir halten nicht viel von den im Land und im Web kursierenden Empfehlungen und Vorschriften zum Anschreiben. Auf die äußere und sprachliche Form und auf korrektes Deutsch (Punkt 2) achten Sie jedoch bitte so penibel wie ein Leserbriefschreiber der FAZ. Doch jetzt zu Ihren Fragen!
Eugen T.: Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie nicht viel von Empfehlungen und Vorschriften halten. Ist Ihr Vorschlag dann, jede Bewerbung individuell, aus dem Bauch heraus zu schreiben (grob ausgedrückt)?
Gerhard Winkler: Ich finde, dass die üblichen Regeln und die allgemeine Bewerbungspraxis nicht zielführend sind. Es gibt schon einige wenige Grundempfehlungen, zum Beispiel für das Texten von Bewerbungen:
Mach Deine Bilanz glaubwürdig und transparent. Bring das Wichtigste zuerst. Kleb an den Fakten. Leg genau so viel vor, wie gebraucht wird. Bleib positiv. Bilde Vertrauen.
Sellerie: Was spricht dagegen, bewährte Textbausteine (aus seinen eigenen Bewerbungsschreiben, nicht geklaute) zu verwenden und neu zu verarbeiten - natürlich so, dass es zu der jeweiligen Jobbeschreibung passt? Es wurde in Ihren eingangs formulierten Fragen verneint.
Gerhard Winkler: Klar, wenn man seine Leistungsbilanz ausformuliert und zur Sprache gebracht hat, dann passt man sie nur noch soweit an, dass sie auf eine neue Jobgelegenheit das passgenaue Leistungsversprechen geben. Man braucht aber zunächst den Mut, erst einmal die eigenen Worte zu finden, um eine persönliche, unverwechselbare Bewerbung zu formen. Dieser Mut, diese Anstrengung zahlt sich aus!
markush.: Hallo, guten Tag, Herr Winkler, kurz zu meinen Eckdaten: Ich bin gelernter Industriekaufmann, habe aber schnell und früh ohne Studium mich im Berufsleben beweisen dürfen und können. So im Wesentlichen sechs Jahre als Geschäftsführer einer mittelständischen Filialkette im Besonnungsbereich und dazugehörigem Fachhandel und im Anschluss 12 Jahre, bis dieses Jahr, als einziger Generalbevollmächtigter mit Einzelprokura in einer Industriegruppe mit ca. 300 Mitarbeiter, direkt dem Alleinvorstand unterstellt. Der Gründer und Alleinvorstand der Industrieholding als Dachgesellschaft der Unternehmensgruppe ist ein Selfmade-Unternehmer, Anfang 50. Da ich zu Beginn bei diesem Unternehmer als Projektleiter nach meiner Tätigkeit als Geschäftsführer dazu gestoßen bin, war es nie ein Hindernis, dass mir das Studium fehlte. Seit längerer Zeit hat mein bisheriger Arbeitgeber angekündigt, sich vorerst aus der aktiven Unternehmertätigkeit zurückzuziehen und die Unternehmensgruppe zu veräußern. Dieses ist inzwischen geschehen. Ich habe mich logischerweise frühzeitig, bereits in 2008 sehr aktiv, für eine neue Aufgabe beworben. Mein Fazit: Entweder habe ich in Führungsfunktionen keine Chance, weil ich nicht die Voraussetzungen des Studiums erfülle oder ich bei bescheideneren Tätigkeiten überqualifiziert bin. Zudem wird unterstellt, dass ich mit meinen etwas über 40 Jahren zu teuer für ein Unternehmen bin, da nimmt man lieber einen Bewerber frisch von der Universität. Welche Möglichkeiten der Bewerbung, jenseits der üblichen Pfade, habe ich als nicht studierte Führungspersönlichkeit, die jedoch sehr vielfältige Erfahrungen aus der Praxis mitbringt und sich im Verlauf der Jahre in verschiedenste unternehmerische Fragestellung und Themengebiete eingearbeitet hat. Zudem war mir immer sehr wichtig, als Generalbevollmächtigter das Ganze im Unternehmen abteilungsübergreifend zu sehen. Ein in sich sehr gutes Bewerbungsgespräch bei einer Brauerei zeigte mir besonders deutlich, dass dieses Interesse nicht mehr gefragt ist und dort alles ausschließlich fachbereichsbezogen betrachtet wird. Generalisten sind demnach völlig veraltet. Ich war selten ratlos, diesmal bin ich es in eigener Sache. Beste Grüsse
Gerhard Winkler: Sie benötigen die Hilfe eines guten Personalvermittlers. Oder Sie kontakten über Stellengesuche. Sie galten sich ganz von großen Unternehmen fern – die haben für Selfmade-Typen keinen Raum. Sie haben keine höheren akademischen Weihen, da winkt erst einmal jeder Personaler ab. Deshalb müssen Sie die Macher und Erfolgsmenschen ansprechen. Die anderen sind zu feige, um auf jemanden wie Sie zu bauen.
Turbo: Ich habe eine 10-monatige Zeit im Lebenslauf, in der ich nicht gearbeitet habe, das war vor 5 Jahren, zwischen Promotion und erstem Job. Ich schwöre, dass ich nicht arbeitslos war. Ich habe mir ein paar Monate andere Kontinente angesehen und mich dann beworben und innerhalb von 4 Monaten einen Job gehabt (ging zugegebenermaßen nicht ganz so schnell, wie gedacht). Was kann ich tun, damit nicht jeder gleich denkt, ich sei faul und wenig ehrgeizig?
Gerhard Winkler: Geben Sie doch die Bildungsreise unter der Rubrik WEITERBILDUNG im Lebenslauf an! Monatsgenau und fein ausgeschmückt mit den Reisestationen.
th_omas: Nabend zusammen. Herr Winkler, ich bin seit dem 31.8. arbeitslos. Wie leite ich mein Anschreiben am besten ein?
Gerhard Winkler: Sehr geehrter Herr Müller, in meiner letzten Funktion als Robotertrainer für die Subotnik GmbH in Berlin habe ich mehrere Politroboter der Laberklasse 2 gepflegt, gewartet und instruiert.
Eugen T.: Welche Empfehlungen geben Sie für die Bewerbung?
Gerhard Winkler: In einem Satz? STICK TO THE FACTS. Die meisten Bewerber kleben nicht an den Fakten, sondern am Personaler.
VerzweifelteSuche: Hallo Herr Winkler, ich hab ein Problem mit dem Anschreiben, das heißt eher, manche Firma hat ein Problem. Die Firmen meinen, dass aus meinen Anschreiben nicht hervor geht, warum ich die Ausbildung möchte, obwohl ich dieses ganz exakt benenne. Was soll ich denn da schreiben ?
Gerhard Winkler: ich empfehle, die Motivation, das heißt den Bewerbungsgrund, im letzten Drittel des Anschreibens thematisieren. Sie haben die ihre glasklar benannt?
VerzweifelteSuche: Als Beispiel eines meiner Anschreiben, ist das so falsch: Ich bewerbe mich um eine Ausbildung als Bürokauffrau, weil mich Büro- und Verwaltungsarbeiten, der Umgang mit Daten, sowie kaufmännisches Denken in gleichem Maße interessieren, wie Kundenorientiertes Handeln. Attribute wie Ehrlichkeit, Offenheit, Pflichtbewusstsein und Diskretion kennzeichnen meinen Charakter.
Gerhard Winkler: Interesse allein ist kein distinktives Merkmal. Ich-Behauptungen über löbliche Attribute können meilenweit an der Wahrheit vorbeisegeln. Insofern sind die beiden Propositionen, die Sie da machen, Behauptungen ohne Wert. Warum sollte man sich mit Ihrem Charakter befassen, wo es doch auch Lern- und Leistungsdaten gibt? Zudem beantworten Sie nicht die Frage: WARUM GERADE WIR? WARUM BEI UNS?
Beweisen Sie, dass Sie kaufmännisch denken, mit dem PC umgehen können und kundenbezogen handeln. Das ist Ihre erste Aufgabe als Bewerberin für eine Lehrstelle.
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis: Aus Ihrem Textabschnitt funkeln zwei Kommafehler und ein Rechtschreibfehler heraus … das komplettiert den falschen Glanz. Ihre Sätze kommen aus dem Satzbaumarkt und sind so billig … in China getextet und durch die Qualitätskontrolle geflutscht …
VerzweifelteSuche: Hier mein komplettes Anschreiben, ist das so falsch wie manch einer behauptet?
Sehr geehrte Damen und Herren Wenn Sie und Ihr Team um eine engagierte und begeisterungsfähige, ehrgeizige und verantwortungsbewusste Auszubildende erweitern wollen, die gerne mit Menschen zusammenarbeitet und Kunden und Kollegen kontaktfreudig und freundlich begegnet, könnte ich die richtige Bewerberin sein! Meine Stärken liegen in der Fähigkeit Aufgaben sowohl eigenverantwortlich als auch im Team bearbeiten zu können sowie in einer schnellen Auffassungsgabe. Organisationstalent und Zuverlässigkeit zeichnen mich ebenso aus, wie ein sicherer Umgang mit der deutschen Sprache in Wort und Schrift. Als selbstverständlich werte ich jedoch nicht nur ein angemessenes Verhalten mit niveauvollem Umgangston, sondern auch ein entsprechend ordentliches und gepflegtes Auftreten. Ich bewerbe mich um eine Ausbildung als Bürokauffrau, weil mich Büro- und Verwaltungsarbeiten, der Umgang mit Daten, sowie kaufmännisches Denken in gleichem Maße interessieren, wie Kundenorientiertes Handeln. Attribute wie Ehrlichkeit, Offenheit, Pflichtbewusstsein und Diskretion kennzeichnen meinen Charakter. Natürlich habe auch ich Schwächen, aber Merkmale wie Perfektionismus oder Ungeduld, können sich, meiner Meinung nach, auch zu Stärken entwickeln. In ihr Unternehmen kann ich eine gute Gabe der Organisation und guten Umgang mit Menschen in das Team einbringen. Dem Kontakt mit ihren Kunden stehe ich gerne freundlich und gelassen in jeder Situation gegenüber. Wann darf ich mich bei Ihnen vorstellen? Mit freundlichem Gruß
Gerhard Winkler: Sie haben das irgendwo abgeschrieben. Sie machen den Wulff. Sie spritzen Sahneersatz auf Plastikteilchen. Ich will Sie nicht verletzen, aber im wirklichen Leben schwafeln sie doch auch nicht herum! Warum sprechen Sie denn mit geborgter Sprache? Bob Dylan nennt das: Speaking in false tongues.
VerzweifelteSuche: Herr Winkler, vielen Dank für Ihre Antwort, aber desto mehr ich schreibe, desto länger wird ja mein Anschreiben. Ich muss ja beim Gespräch mit dem Betrieb auch noch was erzählen, reden können, sonst könnt ich ja gleich sagen, steht alles im Anschreiben und im Lebenslauf oder verstehe ich das falsch ?
Gerhard Winkler: Liebe VerzweifelteSuche10: Sie haben einen Bestand an Fakten, Daten, Zahlen. Diese sind mit Ihrem Werdegang verbunden. Genauer, sie machen Ihren Werdegang aus. Und dieser Vorrat an Fakten ist zugleich die Ausgangsbasis für 1. Ihren Lebenslauf, 2. Ihr Anschreiben, 3. alles, was Sie vorbringen. Jeder wiederholt sich im Leben doch ständig. Warum sollte es gerade beim bewerben anders sein? Beim Bewerben ist es Pflicht, das zu bringen, was für einen besonders spricht. Solange, bis es den Ausbilder überzeugt.
VerzweifelteSuche: Ich glaube, man kann es eh keinem Betrieb genau recht machen. Jeder hat andere Vorstellungen des Anschreibens sowie von der Person. Bewerbe ich mich als Frau meines Alters (27) um eine Ausbildung, heißt es, nein, wir wollen den 16-jährigen, also jüngeren, eine Chance geben. Sage ich, ich kann Spanisch, dann heißt es dazu, wieso kein Russisch? Wenn ich sage, ich habe Abitur, dann möchte man den Hauptschülern eine Chance geben, irgendwo macht man da was falsch. Ich bewerbe mich auf Stellen, wo ich laut dem Betrieb unterfordert wäre und schon hagelt es eine Absage. Ich verzweifele an solchen Betrieben. Wie kann das sein???
Gerhard Winkler: Sie sind 27, Sie haben schon ein Leben. Die Lern und Leistungsdaten kommen in den Lebenslauf und auch in das Anschreiben. Den Schmus mit Billig-Anschreiben von Pfuscherautoren sparen Sie sich. Sie sammeln zunächst, was alles für Sie spricht und das tragen Sie dann vor. Zuerst beim telefonischen Kontakten, dann verwenden Sie es beim Texten der Bewerbung. Sie sollen es nicht aller Welt recht machen. Sie sollen nur Ihre persönliche Ausbildungseignung und Ihre Ausbildungsreife klipp und klar kommunizieren.
anonym1: Wie soll man sich in der Bewerbung auf den Betrieb beziehen? Man weiß ja vorher eigentlich nicht genau, was einen dort erwartet und ohne vorherige Praktika kann man sich ja nur auf Infos aus dem Internet (bzw. Broschüren) beziehen, woraus dann etwas in der Art kommen würde "[Hauptaufgabe des Betriebs] interessiert mich, weil....". Und Formulierungen ähnlich wie "weil Sie laut Berichten eine gute Ausbildung bieten" finde ich zu harsch, da man ja eher Erwartungen stellt. Wie sollte das Betriebsbezogene aufgebaut sein? Reicht das Allgemeine (aus Infos im Netz)?
Gerhard Winkler: Ich würde alles recherchieren, was es über eine Zielfirma zu erfahren gibt (na ja, ich würde eben zumindest eine Stunde lang konzentriert nach Infos surfen und sie sammeln.) Dann würde ich mir das Unternehmen anhand der Geschichte, der wirtschaftlichen Daten, der kritischen Würdigungen, der Ausflüsse der Unternehmens-PR mental vorstellen. Was macht mich da an? Welche Besonderheiten finde ich stark? Wie könnte ich von einer Ausbildung dort persönlich profitieren? Warum passe ich da gut hin? Wieso kann ich da besonders gut Leitung bringen? Wie profitieren die von mir?
anonym1: Vielleicht sollte ergänzt werden, dass es sich um eine Ausbildungsbewerbung handelt?
Gerhard Winkler: Laden Sie sich auf formyourself.de die Broschüre STELL DICH DEM CASTING. (Die ist kostenlos.) Die Motivation einer Ausbildungssuchenden nehmen die Ausbilder sehr ernst, aber ich würde wie gesagt, erst im letzten Absatz meines Anschreibens darauf eingehen. Noch wichtiger ist, Ihre besondere, spezifische Eignung überzeugend zu vermitteln.
kisa: ich habe auch dieses "Motivationsproblem". Soll ich da schreiben: Ich möchte zu Ihnen, weil ich in die Industrie will. Oder: … weil ich in einem Unternehmen arbeiten möchte, welche weltweit führen auf Ihrem Gebiet ist? Oder: … weil ich denke, dass ich mich dort persönlich besonders gut entwickeln kann? Kling das alles nicht zu abgedroschen?
Gerhard Winkler: Als Bewerbungsberater mache ich es so: Ich baue den Klienten in den ersten beiden Dritteln eines Anschreibens maximal mit guten Leistungsdaten auf. Jeder wünscht doch Leistungsbringer. Ich unterfüttere das mit Aussagen von Referenzen (denen ich natürlich Beurteilungen in den Mund lege, aber dafür sind Referenzen da.) Wenn es einen triftigen Grund gibt, weshalb man sich ausgerechnet dort in diesem Ort bewirbt, dann baue ich den am Ende des Anschreibens ein. So machen Sie es auch: Machen Sie sich stark, bevor Sie das Unternehmen loben.
Sellerie: Ich habe meinen letzten Job als Produktmanagerin zum 31.8. gekündigt, da er nicht meinen Vorstellungen entsprach. Ich überlege mir, mich selbstständig zu machen (Existenzgründingsseminar habe ich schon besucht und arbeite am Business-Plan) und will mich gleichzeitig bewerben. Kann ich im Lebenslauf schreiben, dass ich seit 1. September als freie Redakteurin, Autorin und Lektorin tätig bin? (habe zwischenzeitlich ein Buch geschrieben). Wie kommt das an, dass ich mich dann doch bewerbe? Bin mir unsicher, ob ich vom Schreiben wirklich leben kann.
Gerhard Winkler: Ich lese Ihre Frage und wundere mich, dass wir alle immer so besorgt sind, wie etwas ankommt. Wie etwas beim anderen wirkt. Ob man nicht doch eine Erklärung voranstellt oder nachschiebt. Ob man es nicht doch lieber lässt, weil es der Reputation schaden könnte. Betreiben Sie Ihre Sache. Dass Sie das können, haben Sie wunderbar bewiesen, indem Sie ein Buch geschrieben haben! Wenn Sie sich jetzt bewerben möchten: Tun Sie das! Ihre eigenen Gründe sind stichhaltig. Man fragt sich aber weit mehr, ob Sie nicht wieder abspringen werden, als dass man nach dem Bewerbungsgrund fragt. Dass man nachhaken wird, spätestens im Interview, ist doch natürlich, verständlich und vor allem kein Drama. Legen Sie dar, was Sie machten, leisteten, erreichten, erlernten und jetzt gerade machen. Dann schlagen Sie vor, was Sie für jemanden machen wollen.
Sellerie: Wie kommen Kreativbewerbungen an? Wirkt es zu aufgesetzt oder kann man damit positiv auffallen?
Gerhard Winkler: Ich lehne ausgetüftelte Kreationen oder Aktionen als Berater strikt ab. Vor Jahrzehnten hab ich mich allerdings selbst mit lustigen Collagen beworben (es gab noch keine Apple Macs). Ich bin heute zutiefst davon überzeugt, dass auch für Kreativjobs die Bewerbung nicht kreativ sein darf. Sie geben ein Briefing. Das ist eine Informationsveranstaltung und kein Bastelwettbewerb. Da können Sie allerdings Ihre Arbeitsproben gut mit vorlegen und beweisen, dass Sie ein kreativer Kopf sind..
Sellerie: Zerschieße ich mir meinen beruflichen Werdegang und meine Glaubwürdigkeit, wenn ich mich nach den letzten beiden Anstellungen als Produktmanagerin nun um eine Assistenzstelle bewerbe? Wie formuliere ich das im Anschreiben?
Gerhard Winkler: Ich kann nicht beurteilen, ob das als berufliche Degradation bewertet wird. Da müsste ich die Jobbeschreibungen sehen und mich in Ihre Jobstationen versenken.
franz: Bin 41 Jahre, fast 1,5 Jahre arbeitssuchend, eigentlich qualifiziert BSc Wirtschaftsingenieur sowie Sicherheitsfachkraft, in Technik und Projekten erfahren, wie verkaufe ich das am Besten im Anschreiben? Falls ich alle 3 Monate mal Erfolg habe, komme ich zumindest in die 2. Bewerbungsrunde, doch dann ... Wie kann ich mein Anschreiben so gestalten, dass ich öfters eingeladen wäre? Liegt es am Alter oder am letzten Dienstgeber, einem staatsnahen Verkehrsunternehmen? Bin beim Gehalt schon 30 % runter - verkaufe ich mich da zu billig?
Gerhard Winkler: Auch hier würde ich schauen, ob ich wirklich alle faktischen Pro-Argumente schon im Anschreiben und Lebenslauf platziere. Ein Gehaltswunsch ist eigentlich nicht das Problem, außer, Sie signalisieren mit Ihrem Einknicken überdeutlich, dass Sie sich unsicher fühlen.
franz: Wie verkaufe häufige Branchenwechsel und damit Jobwechsel ca. alle 2 Jahre. Kann ich lange Arbeitslosigkeit als Familienauszeit, Hausrenovierung und Orientierungsphase verkaufen? Ist das glaubwürdig? Schließlich hab ich das gemacht zusätzlich zur obligatorischen Weiterbildung und dem Beginn eines Masterstudiums.
Gerhard Winkler: Sagen Sie einfach, wie es gewesen ist - aber vermeiden Sie es, in eine Rechtfertigungshaltung zu fallen. Auch wenn man Sie angreifen sollte - fühlen Sie sich im Interview nicht angegriffen oder durch Fragen in die Enge getrieben! Was macht Sie derzeit unattraktiv für einen Arbeitgeber? Dass Sie zu lange draußen sind? Dass Ihr Jobprofil unklar ist. – „Ich bin eine Weile aus dem Job gewesen und muss mich ein bisschen neu erfinden. Ich brauche deshalb die Jobchance, in der ich – am besten ein paar Jahre lang – zeigen kann, dass ich als Sicherheitsfachkraft zuverlässig und leistungsstark bin. Können Sie mir diese Chance geben?
th_omas: Ich bin seit dem 31.8. arbeitslos, weil ich selbst gekündigt habe. In Bewerbungsgesprächen werde ich immer nach dem Grund für meine Kündigung gefragt. Ich sage immer die Wahrheit: Die Entwicklung & Perspektive war nicht so, wie ich sie mir vorgestellt habe und nun möchte ich mich in einem anderen Bereich weiterentwickeln. Ist das okay so oder eher ungünstig?
Gerhard Winkler: Nun ja, man fragt Sie nach Ihrem Leidensdruck und Sie behaupten, dass Sie eigentlich keine Schmerzen hatten.
th_omas: Was wäre denn eine passende Formulierung?
Gerhard Winkler: Stetigkeit, Verlässlichkeit, Belastbarkeit sind Mitarbeitertugenden. Man wird sich fragen, ob Sie immer dann abspringen, wenn Ihre Lagepeilung ergibt, dass sich in nächster Zeit nichts Spannendes für Sie auftut.
Die schlüssige Antwort, die einen Jobanbieter nicht düpiert lässt sich auch in Ihrem Fall sicher finden ... dafür muss man mehr von Ihrer Jobperformance wissen … es ist, Sie merken das an meiner zögerlichen Reaktion, eine sehr heikle Frage.
th_omas: Okay, Sie haben mich erwischt, ich will ehrlich sein. In Wahrheit war es zu viel Stress und Druck - aber wie verpacke ich es am besten im Gespräch?
Gerhard Winkler: Falscher Druck, Dauerdruck, Management by Terror - das ist ein Thema, daraus kann man als Eigenkündiger etwas Positives machen! Klar, man darf über Vorgesetzte nichts Schlechtes sagen ... aber man kann zum Beispiel sagen, dass man sich im Job nicht durch falsche Führung verschleißen lassen möchte.
Oliver: Ich hatte Ihnen die erste Version meiner Bewerbung geschickt. Dank der Kurzanalyse konnte ich immerhin schon ein paar Sachen umbauen.
Gerhard Winkler: Probieren Sie es! Nichts stärkt einem in beruflicher Hinsicht mehr den Rücken, als wenn man es mit seinem selbstgebastelten Anschreiben bis zum Interview bringt!
Konstrukteur 1979: Guten Abend Herr Winkler Ich bin Konstrukteur und muss mich krisenbedingt neu bewerben. Wenn ich jetzt die Ausschreibungen so durchlese, finde ich sehr oft gutes Englisch oder sogar verhandlungssicheres Englisch gefordert. Ich kann zwar Englisch, aber sicher nicht so toll wie die Personalverantwortlichen das wünschen. Und vielfach spielt das dann im Alltag auch nur eine untergeordnete Rolle. Wie soll ich das nun verpacken in der Bewerbung, denn der Personaler will ja lesen, dass ich gut die englische Sprache kann und ich eigentlich das Thema nicht so hoch hängen will, dass auch die anderen Kenntnisse gelesen werden. Lasse ich das unerwähnt, kann es ein Ausschlusskriterium sein, behaupte ich, was ich nicht kann, könnte ich ganz schnell wieder ohne Stelle sein. Reich es wenn ich schreibe, dass ich mich im Augenblick auf dem Gebiet weiterbilde (was auch so ist)?
Gerhard Winkler: Belegen Sie jetzt einen Kurs bei einem Sprachanbieter. Vermerken Sie das unter WEITERBILDUNG. Notieren Sie im Lebenslauf: Englisch in Wort und Schrift. Es ist nicht falsch, sich um sein Englisch zu kümmern und dies auch zu zeigen.
th_omas: Vielen Dank für ihre Hilfe! Jetzt bin ich einen Schritt weiter. Auf Wiedersehen!
Gerhard Winkler: Ihnen allen einen schönen Abend! Wir waren heute 32 Teilnehmer – es freut mich sehr, dass wir ins Gespräch gekommen sind! Mailen Sie mir alle Ihre Fragen, die Ihnen noch auf dem Herzen liegen! Schönen Abend! Bis zum nächsten Mal am Dienstag, 7. Dezember 2010 um 19 Uhr an dieser Stelle!
Sellerie: Tschüß & vielen Dank!
Ich schreibe für den interessierten und verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge beim Bewerben und im Job. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback!
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