Wenn sich schon abgebrühte Bewerbungsberater meiner Sorte von einer Anfrage wie dieser zu einer Antwort wie die nebenstehende hinreißen lassen, dann wird die Fragestellerin gewiss auch altgediente Personaler dazu bringen, sich mit Ihren Wünschen und Vorstellungen zu beschäftigen. Diese lauteten so:
" ... ich möchte nach meinem einjährigen Auslandsaufenthalt eine Ausbildung zur Hotelfachfrau starten. Ich hoffe darauf, dass mich dieser Beruf, was den künstlerisch-kreativen Bereich betrifft, erfüllt. Von daher möchte ich auch in einem Betrieb arbeiten, in dem phantasievolles Engagement erwartet wird und gut umsetzbar ist. Somit darf es keines von diesen urkonventionellen Hotels sein, sondern eins mit Flair, Image und Geld ;-)!!!!
Um zu so solch einem Niveau vorzudringen, bedarf es mit Sicherheit einiger kniffliger Tricks, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich möchte Sie daher bitten, mir ein wenig auf die Sprünge zu helfen... vorausgesetzt, Sie können das (was ich nun aber nicht bezweifeln möchte)!
Was ich mit meiner Bitte genau meine, müssten Sie sich aber besser selber überlegen, d.h. ich möchte hier keine Ideen vorwegnehmen und verbleibe somit in der Hoffnung, trotzdem alsbald von Ihnen zu hören ...
MfG.... V. S. "
Ich dachte: Ein paar meiner Ideen hätte V.S. ja doch vorwegnehmen können, dann hätte ich gleich lesen können, was mir eingefallen wäre. Das mailte ich jedoch nicht, sondern antwortete:
Als eigensinniger Kopf möchten Sie Ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau in einer wenn nicht unkonventionellen, dann doch zumindest gediegenen Umgebung absolvieren. Wie aber die Personaler auf sich aufmerksam machen? Nur gut, dass mir Frequent Traveller das Ambiente der Grand Relais und Park Hotels wohl vertraut ist.
Mitarbeiter dort zeichnen sich aus durch diskrete Manieren, seriös-flotte Erscheinung, stets freundliche Aufmerksamkeit und eine so unaufdringliche wie selbstbewusste Service-Einstellung.
Unabhängig von Tageslaune und -form zum Wohl vieler Mensch und zum reibungslosen Funktionieren eines komplexen Betriebs mit vielen anspruchsvollen Kunden beizutragen, das ist nicht jedem gegeben.
Künstlerisch-kreativ sein können Sie da sicher auch: Tagesblumen arrangieren, Tischkarten beschriften. Ansonsten ist der Job in den Bereichen Empfang, Wirtschaftsdienst, Werbung und Verkaufsförderung so trocken wie anstrengend.
Die fachliche Kompetenz im kaufmännischen und administrativen Bereich kann sich jeder intelligente Mensch mit gutem Willen noch aneignen. Sicheres Auftreten und offenes Kommunikationsverhalten setzt aber eine gewisse Disposition voraus. Und darauf baut bei den Top-Leuten dann jahrelanges Training auf.
Es ist sicher nicht falsch, sich über Hotelfachschulen (z.B. jene in der Schweiz) zu informieren. Das hohe Lehrgeld, das man dort bezahlt, ist langfristig immer gut angelegt.
Sich um einen Ausbildungsplatz in einem ganz bestimmten Hotel bewerben? Da hätte ich drei Vorschläge zu machen. Schon im Bucher der Bücher beschrieben ist
Idee Nr. 1: Geh hin & lass nicht locker
Zielsetzung der Bewerbungsaktion: Persönliches Gespräch mit Personaler oder Geschäftsführer. Sicherstellen, dass die Adressaten die mitgebrachten Unterlagen auch anschauen.
Strategie: Vor Ort erst einmal recherchieren, sich alles genau ansehen, mit den dort tätigen Menschen sprechen. Fakten und Meinungen zum Unternehmen, zu dessen lokalem Umfeld und zur gesamten Branche einholen. Kontaktdaten der wichtigen Entscheider besorgen. Sich überlegen, wenn man anspricht. Dann einfach aufkreuzen, mit den Bewerbungsunterlagen unter dem Arm. Wenn die zuständige Person keine Zeit hat, erklären, dass man gerne wartet. Sehr höflich, aber auch sehr bestimmt auftreten. Sollte man Sie heute nicht sehen wollen, erklären Sie, dass Sie morgen wieder vorbeikommen.
Mögliche Konsequenz: Man kann Sie für eine grauenvolle Nervensäge halten.
Reale Konsequenz: Man wird Sie für eine grauenvolle Nervensäge halten.
Warum es funktioniert, wenn es funktioniert: Sie machen zunächst Eindruck. Dann sorgen Sie für einen persönlichen Eindruck. Und schließlich hinterlassen Sie einen ausgezeichneten Eindruck.
Was kann schiefgehen? Sie nehmen all Ihren Mut zusammen, fragen sich durch und dann macht der Personaler gerade selbst drei Wochen Campingurlaub. - Na und? Reden Sie mit den Leuten in der Verwaltung, die für Sie Zeit haben und schaffen Sie sich erst mal vor Ort Freunde und Fürsprecher.
Idee Nr. 2: Die geheimnisvolle Fotoserie
Beim Fotografen ein Set von 5 verschiedenen Aufnahmen im Postkartenformat anfertigen lassen.
Alles: Frisur, Kleidung, Körperhaltung, Miene muss stimmig sein. Beobachten Sie dazu vorher Mitarbeiter in exzellenten Hotels. Die Fotos zeigen Sie:
Machen Sie dann die Person im Hotel Ihrer Wahl ausfindig, die für Ausbildung und Personaleinstellung zuständig ist.
Montag: Foto 1 in adressierten Umschlag, an der Rezeption abgeben. Auf der Rückseite des Fotos steht: "Morgen mehr"
Dienstag: Foto 2 in adressierten Umschlag, an der Rezeption abgeben. Auf der Rückseite des Fotos steht: "Maschinenschreiben: perfekt"
Mittwoch: Foto 3 in adressierten Umschlag, an der Rezeption abgeben. Auf der Rückseite des Fotos steht: "Im Team, mit dem Team, für das Team"
Donnerstag: Foto 4 in adressierten Umschlag, an der Rezeption abgeben. Auf der Rückseite des Fotos steht: "Praktisch veranlagt"
Freitag: Foto 5 in adressierten Umschlag, an der Rezeption abgeben. Auf der Rückseite des Fotos steht: "Bilden Sie mich aus"
Und am Montag darauf rufen Sie an und vereinbaren einen Termin.
Idee Nr. 3: Das Zeichen an der Tür
Sie schleichen sich an die Tür des Personalers und kleben dort ein Hochglanzfoto DIN A4 an. darauf sind Sie fein gemacht wie für die Sylvesternacht in der Duisburger Stadthalle (kleiner Test: Papa muss das Foto sehen und weinen). Sie haben aber einen Putzeimer in der linken und einen Feudel in der rechten Hand. Auf dem ebenfalls an die Tür geklebten Begleitzettel steht:
"Ich möchte bei Ihnen als Praktikantin arbeiten. Zwei Wochen/unbezahlt. Fon 123 ..."
Warten Sie drei Tage ab, ob man sich bei Ihnen meldet. Falls nicht, ziehen Sie die Schraube etwas an. Kleben Sie ein wirklich reizvolles Foto von sich an die Tür und schreiben Sie dazu:
"OK. Ich bin bereit, 3 Wochen unbezahlt als Praktikantin zu arbeiten. Fon 123 ..."
Warten Sie drei Tage ab, ob man sich bei Ihnen meldet. Falls nicht, zeigen Sie Härte. Kleben Sie jetzt ein letztes Foto an und schreiben Sie dazu:
"Letzte Chance/neue Konditionen: 2 Wochen Praktikum gegen Vergütung. Oder ich wende mich an Hotel XY. Fon 123 ..."
Für Hotel XY setzen Sie den Namen eines Konkurrenten ein. Wenn Sie nicht pfiffig und zielstrebig genug sind, bis in den Administrationstrakt vorzudringen (oder jemanden in der Organisation finden, der Ihnen hilft), dann sind Sie nicht tough genug für die Welt der Hotelkorridore.
Egal, was Sie tun: Unternehmen Sie nichts, was gegen Ihre Persönlichkeit läuft. Keine kühnen Bewerbungsaktionen, wenn Sie ein schüchternes Turmfräulein sind. Und vergessen Sie nicht: Originelle Ideen hat heute jeder. Über einen witzigen Einfall lächelt man aber nur kurz. Zwei Tage später hat man ihn völlig vergessen. Ein Bewerber mit exzellenten fachlichen Qualifikationen prägt sich dagegen ein. Und über einen tüchtigen Mitarbeiter freut man sich das ganze Jahr.
Meint Ihr Bewerbungsberater
Gerhard Winkler
Ihre Anregungen & Fragen an gwinkler@jova-nova.com
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18. Mai 2001; zuletzt aktualisiert: Berlin, 15.2.2009
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