Aussehen, Haarfarbe, Deckblatt
So sähe man sie gern, die neue Mitarbeiterin: Sicher im Auftreten, zielstrebig im Handeln und gleichmäßig engagiert von 9 bis 5, genauer gesagt, meist bis 7. Doch wer soll die Neue sein?
Das Team sichtet die Kandidatinnen und legt die Bewerbungsmappen aus. Die Auswahlkriterien sind so handfest wie objektiv: Aussehen, Haarfarbe, Deckblatt. Der Personaler studiert derweil einen unauffälligen Ordner. Den von der Hausfrau, ausgerechnet. Sieht die nicht irgendwie lahm aus?
„Ausbildung in der Privatkanzlei Vogt, Fenken und Schlier. Im Anschluss zwei Jahre dort tätig ... Ob man sich da noch an sie erinnert? Man könnte ja über den Stadtrat Tobel beim alten Vogt anfragen ... Danach der Ausstieg: Heirat, Kinder. Irgendwann dann die „Mitwirkung im Ingenieursbüro meines Mannes“. Zuerst fehlte das Geld für eine Sachbearbeiterin/Sekretärin/Telefonistin. Später war alles schon so schön eingespielt. Kinder von der Schule abholen, Firmenpost zur Post bringen, das Wochenende planen, noch schnell das Angebot schreiben, den aufgelösten Kunden besänftigen, alles für die Werbeaktion vorbereiten, für den Vereinssonntag den Kuchen backen ... Erfolgsgeschichte Familienfirma.“
Routiniert und kompetent
Der Personaler denkt weiter: „Die Bewerberin aus dem Home-Office: Sie muss sich und den anderen nichts mehr beweisen. Routiniert und kompetent, aber eben auch interessiert und lernbereit. So würde ich sie charakterisieren. Andere Leute wechseln ab und zu, erproben sich an ganz neuen Aufgaben, bewähren sich in einer neuen Umgebung. Für diese Frau ist die berufliche Neuorientierung das große Abenteuer zu Beginn der zweiten Hälfte des Lebens. Sie wird loslegen und schon nach den ersten Wochen wird das Team sich nicht mehr vorstellen können, wie man früher all das ohne sie geschafft hat.
Wir werden sie einladen. Zusammen mit der rechtschreibschwachen Schnepfe und diesem Sonnenbankopfer. Und dann werden wir sehen.“
Bewerbungsschreiben 1
Was nach meiner Erfahrung als Karriereberater viele dieser Frauen zwischen 35 und 55 auszeichnet: gesunder Pragmatismus, Gewitztheit und entwaffnende Direktheit.
Eine Bewerbern schreibt mir: „Ich möchte Sie auch darum bitten, nachfolgendes Anschreiben (dessen Text ich mir weitgehend aus Ihren Seiten zusammengeklaut habe) durchzusehen.“ – Dann mal sehen, was jova-nova.com hergibt:
Sehr geehrter Herr Flappach,
ich habe großes Interesse an der Sachbearbeiterstelle in Ihrem Unternehmen.
Als Allround-Bürokraft im Ingenieurbüro meines Mannes habe ich in mehrjähriger Tätigkeit Erfahrung im Bereich Organisation und im Umgang mit Kunden.
Mit selbständiger Ausführung der Korrespondenz bin ich ebenso vertraut wie mit der telefonischen Betreuung unserer Auftraggeber.
Projekt- und Terminkoordination sind meine Stärke.
Zuständig bin ich auch für die Erstellung von Kostenplänen und Übersichten in den Bereichen Einkauf und Projektverwaltung.
Durch die Herausgabe eigener Dokumentationen habe ich Erfahrung in der Gestaltung einfacher Publikationen.
Für eine erfolgreiche Tätigkeit in Ihren Unternehmen bringe ich mit
Meine Fähigkeiten möchte ich gerne in einem neuen Tätigkeitsfeld unter Beweis stellen. Ich bin flexibel, leistungsorientiert und ein guter Teamplayer.
Gern würde ich mich Ihnen persönlich vorstellen. Ich freue mich auf Ihren Anruf und kann auch sehr kurzfristige Termine einhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Bewerbungsschreiben 2
Irgendwie kamen mir diese Zeilen tatsächlich vertraut vor. Das Anschreiben musste ich nur noch ein wenig schütteln, bis alle Teile an ihren richtigen Platz fielen:
Sehr geehrter Herr Flappach,
als Office-Allrounderin im Ingenieurbüro meines Mannes zeige ich mich den vielfältigen Anforderungen in Sachen Administration, Organisation und Kundenpflege bestens gewachsen. Zuständig bin ich unter anderem für die Korrespondenz, die telefonische Betreuung unserer Auftraggeber sowie für die Erstellung von Kostenplänen und Übersichten in den Bereichen Einkauf und Projektverwaltung. Meine besonderen Stärken:
Ich konzipiere eigene Dokumentationen und zeige in der Gestaltung einfacher Publikationen mein Geschick für wirksames Präsentieren.
Künftig möchte ich mich in einer größeren Teamumgebung bewähren und meine hohe Motivation und Leistungsbeitschaft unter Beweis stellen. Ihr Unternehmen ist mir als modern und innovativ aufgefallen.
Gern würde ich mich Ihnen vorstellen und Sie von meinen persönlichen und fachlichen Stärken überzeugen. Über Ihren Anruf oder Ihre Mail würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Für alle Frauen, die mit Vierzig oder später neu anfangen und fürchten, dass sie „keinerlei Nachweise“ besitzen: Ihr ganzes Leben ist der Nachweis für Ihre Kompetenz.
Und ein Zusatz für alle Dienstleister: Seien Sie auf der Hut, wenn Sie mit einer Out-of-Home-Kämpferin dealen. Diese Frauen wickeln Sie in Nullkommanichts um die Finger. Im konkreten Fall musste ich schreiben: „Für Sie loszulegen und erst bei Bewerbungserfolg honoriert zu werden, darauf möchte ich wirklich nicht eingehen.“
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9.November 2001; zuletzt überarbeitet: Berlin, 17.2.2009
Ich schreibe für den verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Bewerbungswege, Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback per E-Mail, WhatsApp oder Telegram.
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