Der Sinn eines Auswahlgesprächs ist, Sie zum Reden zu bringen. Der Sinn eines Assessment Centers ist, Sie zum Reden mit Ihren Mitbewerbern zu bewegen. Warum machen sich psychologisch geschulte Ausbilder die Mühe, solch einen mehrstündigen und aufwendigen Eignungstest zu organisieren? Na, bevor Sie ein Kätzchen aus dem Tierheim adoptieren, nehmen Sie sich auch die Zeit, um erst einmal zu beobachten, wie es sich im Käfig gegenüber den anderen verhält.
Assessment Center meint aber nicht ein Käfig voller Bewerber: Sie sind mit anderen in einem hellen, trockenen und warmen Raum. Sie werden beobachtet von mehreren Personen (einige greifen auch ins Geschehen ein). Und keine Bange: Sie werden die ganze Zeit über hinlänglich sinnvoll beschäftigt. Der Ablauf ist vorgeplant und regelgeleitet. Seien Sie gewiss, die Prozedur dient nicht in erster Linie dazu, Bewerber zu quälen. Sie ist ein Vorgeschmack auf das Arbeitsleben.
Wer Sie anleiten, unterweisen und führen soll, der interessiert sich für Ihre Stärken und Schwächen im zwischenmenschlichen Bereich, besonders für die Art und Weise, wie Sie mit anderen Menschen umgehen:
Sind Sie teamfähig? Sondern Sie sich ab? Drängeln Sie sich vor? Spielen Sie den Clown? Organisieren Sie sich spontan und ungezwungen mit anderen, um eine Aufgabe anzupacken? Verschaffen Sie sich Gehör? Ordnen Sie sich gut ein?
– Das finden nicht nur Psychologen und Personaler spannend, sondern wenn Sie ehrlich sind, auch Sie selbst. So überstehen Sie ein AC, ohne dass Sie hinterher versucht sind, sich selbst zu ohrfeigen und den Tag für immer aus dem Gedächtnis zu streichen:
1. Weichen Sie keinem Rollenspiel aus. Bleiben Sie während des Spiels in der Rolle (Kunde, Serviceperson, Lobbyist, Projektleiter, Kontrahent, Kunde … was auch immer). Spielen sie eine innere Distanz zur Rolle niemals aus - ein AC ist kein episches Theater und Bertolt Brecht schaut Ihnen nicht von oben zu.
2. Seien Sie selbst aber außerhalb von Spielsituationen immer Sie selbst (in Ihrer idealen Verfassung gut drauf, freundlich, höflich, aufmerksam, konzentriert, pfiffig, findig … ernsthaft interessiert).
3. Ziehen Sie sich nicht in ein Schneckenhaus zurück. Bringen Sie sich zu Gehör. Legen Sie Ihr Wissen und Ihre wohlbegründete Ansicht selbstbewusst dar. Ihre Worte sollen vernommen werden und wirken. Fahren Sie den anderen aber auch nicht über den Mund. Diskussionen im AC brauchen keinen Sieger. Versuchen Sie keinesfalls, ein Maximum an Redezeit durchzusetzen.
4. Sie werden sich selbst vorstellen oder ein Thema kurz bearbeiten und präsentieren. Tun Sie das nicht nur in schönen Worten. Nutzen Sie die Tafel, den Beamer, den Flipchart, die Kärtchen, die Stifte, PowerPoint oder sonst ein Programm oder ziehen Sie ein paar weiße Luftballons aus Deiner Tasche, blasen Sie sie auf und beschriften Sie sie, damit Sie Ihren Vortrag wirkungsvoll unterstützen.
5. Firmen haben Philosophien und verkünden Werte. Lesen Sie vorab die Web Site, die Broschüren und Kataloge. Sprechen Sie mit Firmenangehörigen – man findet welche online in den Business-Commuinities. Machen Sie sich ein Bild vom idealen Azubi oder Mitarbeiter und seinen Soft Skills (das sind die weichen Fähigkeiten, die auch ein Dickschädel besitzt). Passen Sie ihr Verhalten im AC an: Wenn das Unternehmen international exportiert, dann tönen Sie nicht herum, dass diese Globalisierung bei uns alles kaputt macht.
Seien Sie außerhalb von Rollenspielen kein anderer als sie selbst in Ihrer Sonntagslaune. Die Psychologin Stefanie Giese hat selbst Assessment Center durchgeführt und rät: „Man soll sich selbst treu bleiben. Viele AC gehen über mehrere Stunden – da fallen eigentlich alle aus ihren eventuell übernommenen Rollen.“
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November 2007; Text zuletzt überarbeitet: Berlin, 24.02.2009.
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