"Der beste Verkäufer versagt bekanntlich, wenn er seine eigene Person verkaufen soll. Geht es auch Ihnen so?"
(evita.de/Jobworld)
Die schreibende Zunft ist geradezu besessen von der Idee, man müsste sich im Berufsleben verkaufen. Wovon gehen diese Redakteure aus? Was kann man einem Berufsstand abnehmen, der bereitwillig seine Seele verkauft und die Mitmenschen für dumm?
Warum ist es nicht besonders schlau, im Anschreiben seinen Gehaltswunsch anzugeben?
Spielen wir ein wenig mit Zahlen: Wenn Sie 100 fordern, das Budget aber nur 80 zulässt, wird man Ihre Bewerbung wahrscheinlich aussortieren. Hätten Sie den Job auch für 85 oder gar 80 gemacht? Zu spät, um einzulenken: Sie haben sich dann bereits aus dem Rennen argumentiert.
Ungeschickt wäre auch, wenn der grüne Bereich für die ausgeschriebene Position zum Beispiel zwischen 80 und 90 liegt und Sie 70 verlangen. Oder ohne weitere Begründung 115. Merke: Wer im Nebel tappt, der hält sich mit Positionsangaben besser zurück.
Gehen Sie in sich, bevor Sie Bedingungen festschreiben und prüfen Sie, ob Sie nicht offenkundig in einer schwächeren Lage sind - Neueinsteiger in einem dichten Konkurrenzumfeld etwa oder arbeitslos.
Nicht leicht haben es Stellensuchende, die bereits überdurchschnittlich gut bezahlt werden und sich (egal warum) neu orientieren müssen. Halten Sie sich in so einem Fall bedeckt, verschrecken Sie Ihren Ansprechpartner nicht. Die Bereitschaft, weniger zu verdienen, spricht nicht für Sie, auch wenn Sie tausend gute Gründe dafür haben. (Wer bei A für 20 schafft, dann bei B antritt und sich dort mit 17 zufrieden gibt, der wird bei B erst einmal seine Arbeitsleistung reduzieren. Mindestens um den Gegenwert von 3.)
Wann ist es dennoch clever, im Anschreiben zu notieren, wie viel man haben will?
Sie sind 100 wert, können es nachweisen und möchten überhaupt nur mit den richtigen Leuten ins Gespräch kommen. Ersparen Sie sich und den Stellenanbietern Zeit und Mühe. Legen Sie Ihre Gehaltshürde auf; testen Sie, wer die schafft. Dass Sie genau angeben, was Sie wert sind und dass Sie das auch vermitteln können, sagt einiges aus: über Selbsteinschätzung und Selbstbewusstsein, über Markt- und Branchenkenntnisse und über Ihre Fähigkeit, klare Sachverhalte umstandslos mitzuteilen.
Muss man sein Gehaltsziel wie in der Stellenausschreibung verlangt angeben?
Bravo. Sie gehören zu den wenigen Menschen, die Annoncen aufmerksam lesen. - Ein altes chassidisches Sprichwort sagt: Gäb's für alles eine Antwort, müsste man gar nicht mehr fragen. Haben Sie also echte Zweifel, ob Ihnen eine Beantwortung nicht doch schadet, dann gehen Sie auf diesen Punkt einfach nicht ein.
Aus dem Ausleseverfahren fliegen Sie deshalb nicht heraus. Stellenanbieter wollen nämlich zunächst mal wissen, ob Sie’s überhaupt können. Dann, ob Sie pflegeleicht sind. Die Kostenfrage kommt erst später.
Und wenn ein Arbeitgeber der Kostenhöhe doch allererste Priorität einräumt? - Dann wäre eine Mitarbeit für Sie sowieso indiskutabel. Denn ein neueres chassidisches Sprichwort sagt: Wenn ein Boss an dir jetzt spart, spart er an dir auch in Zukunft. Und bei der nächsten Gelegenheit spart er dich ganz ein.
Kommen Sie übrigens nie auf den Gedanken, Ihre bisherigen Vergütungen im Lebenslauf zu notieren.
Ganz konkret: Wie formuliert man seine Gehaltsziele?
Zum Beispiel so: Mein derzeitiges Jahresgehalt beträgt 108 TDM. Oder: Meine Gehaltsvorstellungen bewegen sich im mittleren 70 TDM-Bereich. Oder: Mein letztes Jahresgehalt war 65 TDM plus Bonus. Oder: Meine Gehaltsvorstellung orientiert sich am branchenüblichen Rahmen für Köche in der Landeshauptstadt. Oder: Ich bin flexibel, was meine Vergütung betrifft und orientiere mich gern an den Möglichkeiten eines Start-up-Unternehmens. Oder: Meine finanziellen Erfordernisse liegen im Bereich 80 – 90 TDM. Oder: Ich erwarte eine meinen Leistungen und meiner Berufserfahrung angemessene Vergütung.
Geben Sie Ihr Bruttogehalt an und rechnen Sie alle zusätzlichen Leistungen hinein. Notieren Sie Ihr Gehalt aber nur, wenn es wirklich sinnvoll ist: als Pro-Argument oder als Bedingung.
Darf man bei der Gehaltsangabe lügen?
Dürfen darf man schon gar nicht. Und es wäre nicht einmal klug. Was haben Sie davon, ein künftiges Entgelt auf der Basis eines bloß angenommenen Anspruchs einzufordern? Berufen Sie sich auf das, was Sie mitbringen: Qualifikationen, Erfahrung und Erfolgen. Untermauern Sie Ihre Forderung mit dem Hinweis auf branchen- oder ortsübliche oder firmenspezifische Verhältnisse.
Vielleicht halten weder Charakter noch Erziehung Sie davon ab, unter allen Umständen den eigenen Vorteil zu maximieren und das Beste für sich herauszuholen. Beachten Sie, dass für den Vertragspartner wie für Sie das Verhältnis zwischen Leistung und Vergütung langfristig stimmen muss. Es fällt bald auf, wenn das, was einer tut, nicht in angemessener Relation steht zu dem, was er kostet. Am Ende wird dann ein anderer seinen Erfolg darin sehen, dass er zum Wohl des Unternehmens Ihre übertriebenen Personalkosten einspart.
Wann soll man seinen Gehaltswunsch ins Gespräch bringen?
Warum sollte man das überhaupt? Um einen Vorteil aus der Hand zu geben? Für das Vorstellungsgespräch halten sich Bewerber an die einfache Regel: Auch wenn du leidest, auch wenn's dir missfällt/halt bloß die Klappe, sprich nicht über Geld. Ausnahmslos.
Und wenn man unerfahren oder verbal inkontinent ist, wenn die Lohn- & Gehaltsfragen jäh und unkontrolliert aus einem heraussprudeln? Sofort den Schaden begrenzen und ablenken. ("Oh, ich merke gerade selbst, bevor wir darüber sprechen, sollten wir noch …")
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Gehaltsfragen zu klären?
Während der Jobsuche, bis zum Beginn eines Interviews melden sich oft existentielle Zweifel: "Wem ist überhaupt an meiner Mitarbeit gelegen? Was ist meine Arbeit wert? Unter welchen Bedingungen werde ich mein Berufsleben führen?"
Antwort darauf erhalten Bewerber von jedem geneigten Stellenanbieter - gewöhnlich erst gegen Ende der Gesprächsrunden. Nachdem man annehmen kann, dass Sie der Richtige wären. Wenn man sich ziemlich sicher ist, dass man Sie haben will. Dann werden Ihre Gesprächspartner konkret. Keine Bange, die klären schon von sich aus alle mit Ihrer Einstellung verbundenen Kosten ab.
Sie haben in dieser Schlussphase des Gesprächs hoffentlich bereits für sich selbst beantwortet, ob Job und Arbeitsumfeld zu Ihnen passen, ob Sie in der Lage und willens sind, die gemeinsam diskutierten Aufgaben zu übernehmen.
Selbst wenn man nicht wirklich an Ihnen interessiert sein sollte, wenn das Thema Gehalt nur ein Stichwort im Fragenkatalog eines eher gelangweilten Stellenanbieters darstellt: Bringen Sie es nicht selbst zur Sprache. Lenken Sie den Personaler nicht ab, wenn er sein Skript abarbeitet. Er muss da durch, Punkt für Punkt. Nutzen Sie aber dieses und weitere Gespräche, um die wichtigen Informationen über Gehalt und sonstige Leistungen zu gewinnen. Sie profitieren davon für Ihr nächstes Interview.
Kann ich einen Gehaltsvorschlag nicht einfach so akzeptieren?
Stellenanbieter offerieren, was angemessen ist oder üblich oder tariflich vereinbart oder am billigsten für die Organisation. Sie als Bewerber dagegen erwarten an Leistungen, was Sie für sich selbst als richtig und angebracht berechnet haben. Fällt die Differenz zu Ihren Gunsten aus, versuchen Sie eben, nicht allzu glücklich zu grinsen. Will man weniger zahlen, als Sie erwarten, klären Sie das ab. Sprechen Sie es sofort an - denn wenn Sie es nicht tun, müssen Sie dies später den Lieben daheim erklären. Möchten Sie heute Abend in große, hungrige, verständnislose Augen schauen?
Um Ihre Position argumentativ untermauern zu können, stellen Sie noch vor einem Vorstellungsgespräch zusammen, welche Faktoren Ihr Gehaltsziel bestimmen. Machen Sie sich auch das untere Limit bewusst – ab wann die Vergütung tatsächlich zu gering ist, als dass Sie sich den Job leisten können.
Verhandeln Sie so, dass beide Parteien sechs Monate bis ein Jahr mit dem Ergebnis gut leben können. Mussten Sie wegen einer schwachen Ausgangslage oder ungeschickter Verhandlungsführung Kröten schlucken, dann mosern Sie nicht gleich zu Beginn Ihrer Karriere in der neuen Organisation herum. Nutzen Sie die ersten 6 – 12 Monate dafür, Fleißpunkte zu sammeln und peu à peu Ihre Position zu stärken.
Warum werde ich in Interviews immer aufgefordert, meinen Gehaltswunsch anzugeben?
Ganz einfach: Sie sollen ansagen. Wer als erster eine Zahl auf den Tisch legt, wird die Gehaltsverhandlung verlieren. Nicht immer, aber so gut wie immer.
Wie vermeide ich, meine Gehaltsvorstellungen als erster preiszugeben?
Man fordert Sie auf, sich äußern. Spielen Sie den Ball zurück. Lächelnd, aber unerbittlich. "Was haben Sie sich vorgestellt?" Und dann: "Sie haben sicher vorab die Kosten für diese Position bestimmt." Und darauf: "Mich würde aber gerade interessieren, das von einem Personalexperten wie Ihnen zu erfahren." Und weiter: " Ich biete Ihnen an, für Sie zu arbeiten. Jetzt sind Sie dran. Sagen Sie, wie viel Ihnen das wert ist."
Der verbale Schlagaustausch kann zur echten Machtprobe werden. Schauen Sie dem Gegenüber unverwandt in die Augen. Achten Sie auf Anzeichen der Gereiztheit, aber lassen Sie sich davon nicht beeindrucken. Ihr Gesprächspartner macht deutlich: Sie nerven. Sie finden dagegen, dass er nervt, aber Sie bleiben freundlich-bestimmt. Bravo! Halten Sie durch!
Bevor Sie jetzt ganz die Nerven verlieren, schlagen Sie besser vor, das Thema zu vertagen. Vergessen Sie nicht: Für Personaler ist so was eine Standardsituation. Lassen Sie sich nur darauf ein, wenn Sie egostärker sind als das kleine Ferkel in Puh-der-Bär.
Gehaltspoker? Was für ein Schnickschnack, klagen jetzt die ernsthaften Kandidaten. Die mit Aussicht auf eine Institutsstelle. Nicht jeder kann und will sich auf die wirtschaftsüblichen Spielchen der Aussageverweigerung einlassen. Kürzen Sie die Prozedur ab und geben Sie an, wie viel Sie zuletzt verdient haben. Wenn es darauf heißt: So viel könnten wir unter Schmerzen vielleicht gerade noch aufbringen bzw. eher doch nicht, dann antworten Sie mit fester Stimme: "Von einem Wechsel in das renommierte Alfons-Schmallippe-Institut erwarte ich auch eine deutliche finanzielle Verbesserung."
Wie finde ich heraus, was Leute wie ich eigentlich so verdienen?
Online-Gehaltsspiegel bieten zum Beispiel focus und evita. Berufseinsteiger finden das voll nützlich und vergessen dabei, dass man selbst als Frischling massig Experten kennt, die man fragen kann. Und dass man, wenn man niemanden weiß, dies nicht als Begründung nimmt, um zu verzweifeln. Sondern als Anlass, endlich loszugehen und anzusprechen, anzurufen, anzuleiern.
Pauschale Listenwerte ergänzen bloß, ersetzen nicht reale Marktdaten. Real ist, was ein Anbieter wirklich ausgibt oder zahlen will. Real ist, was die Leute vom Fach tatsächlich verdienen. Das Wissen darüber haben Personaler. Die sind kein geheimes Völkchen. Sie haben Telefonnummern. Sie sind ansprechbar. Sie zeigen sich auf Messen, Kongressen, Jobbörsen und sonstigen Veranstaltungen. Gehen Sie beherzt auf andere zu. Sprechen Sie die Leute an: "Ich werde mich bald nach einer Traineestelle im Bereich Produktmarketing umsehen. Mit welchem Anfangsgehalt kann ich als Absolvent eigentlich rechnen? Ist es angebracht zu verhandeln oder sind die Einstiegsgehälter ziemlich festgeschrieben? Was kann man als Neuling in diesem Punkt falsch machen? Welches Bewerberverhalten ärgert Sie als Personaler bei diesem Thema am meisten?
Reagieren Sie in der Recherche-Phase auch auf Stellenangebote, die Sie eigentlich nicht interessieren. Finden Sie heraus, was man finanziell bietet. Wie das geht? Anrufen, sich vorstellen, nachfragen!
Alles in allem: Ist es nicht schrecklich, darüber debattieren zu müssen, was man wert ist?
Wenn Sie jemanden engagieren, um Ihr Kind zu hüten oder den Garten zu pflegen oder eine Garage zu bauen, dann haben Sie sicher nicht den Eindruck, Sie beurteilen den Wert einer Person, wenn Sie mit ihr über deren Honorar verhandeln. Sie würden auch gar nicht wollen, dass sich Ihnen dieser Mensch verkauft. Wozu auch? Sie wollen, dass er Ihr Kind nicht in den Teich fallen lässt, Ihre Rosen zum Blühen bringt und schnurgerade Wände hochzieht. Und nichts weiter.
Gehaltsfragen sind existentiell, weil Sie mit Ihren Einkünften den eigenen Lebensunterhalt (und den Ihrer Familie) bestreiten müssen. Einkünfte schwanken, das Selbstwertgefühl kann mal hoch gehen, mal runter. Koppeln Sie das eine nur an das andere, wenn finanzieller Erfolg für Sie wirklich sinnstiftend wirkt. Zögern Sie dann aber nicht, davon der Menschheit zu künden. Die wüsste wirklich gern, ob Geld allein echt und auf Dauer glücklich macht.
Noch einmal das Wichtigste: Ihre Verhandlungspartner werden Gehaltsfragen leichter in Ihrem Sinn beantworten, wenn Sie Ihr Wissen und Können offenkundig, messbar, nachvollziehbar machen. Wenn Sie Ihre Erwartungen und beruflichen Ziele konkretisieren. Wenn Sie Ihre Vorgaben und Rahmenbedingungen schließlich mit denen des Anbieters ausgleichen können.
Klären Sie als Bewerber die Gehaltsfrage für sich, noch vor dem ersten Job-Interview. Gehen Sie in das Gespräch mit einer genauen Vorstellung über die gerade noch akzeptable Gehaltssumme. Setzen Sie sich ein realistisches Gehaltsziel und sammeln Sie alle Argumente, die Ihre Forderung unterstützen. Warten Sie geduldig ab. Das Thema Gehalt bringt Ihr Gegenüber schon noch zur Sprache.
Ihren Bewerbungsaktionen und Ihren Gehaltsverhandlungen wünsche ich einen erfolgreichen Abschluss! Auf Ihr Feedback bin ich besonders angewiesen. Ergänzen Sie, kommentieren oder kritisieren Sie die Informationen auf dieser Web Site. Ich freue mich auf Ihre Mail!
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2. November 2000 © jova-nova.com; Text zuletzt überarbeitet: Berlin, 22.02.2009.
Ich schreibe für den verständigen Leser. Halten Sie bitte auch mich auf dem Laufenden: über den Jobmarkt, über Ihre Bewerbungswege, Erfahrungen, Abenteuer und Erfolge. Was vermissen Sie auf jova.nova.com? Was sehen Sie anders? Ich freue mich über Ihr Feedback!
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